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Shunyata Gemini-4 Rückseite
Das Shunyata Gemini-System kombiniert gefilterte Steckdosen mit einer klugen HF-Abführung. Der Preis: 3.000 Euro (Foto: Shunyata)

Test Grounding-System Shunyata Gemini: Projekt Spannungsabführung

Manchmal wünscht man sich das HiFi der 1980er Jahre zurück. Da stellte man die Anlage auf, Boxen rücken, fertig. Allerdings war es damals nur so einfach, weil wir alle viel weniger wussten. Allein das Thema Kabel wurde komplett ignoriert. Ebenso Punkte wie Vibrationen vom Boden oder eben auch der gesamte komplexe Bereich “Strom”. Heute wissen wir sehr viel mehr. Dadurch klingt es viel besser, aber auch der Aufwand steigt an allen Ecken und Enden. So bestätigte sich während der Tests des Shunyata Altaira-Konzepts (mittlerweile fester Bestandteil der LowBeats Referenzanlage) die These, dass man gut beraten ist, Spannungen, die auf den Geräte-Gehäusen vagabundieren, gezielt abzuleiten. Das klingt sofort besser. Das Einzige, was ich dem ambitionierten Shunyata-System ankreiden musste, war der hohe Preis – vor allem der Preis der empfohlenen Verbindungskabel. Nun haben die Amerikaner mit dem Shunyata Gemini eine neue Rakete gezündet, die preislich in kleineren Umlaufbahnen unterwegs ist, weil sie die Funktion der Spannungsabführung mit einer guten Steckdosenleiste kombiniert und das alles noch unter 3.000 Euro hält.

Shunyata Gemini-4
Das Gemini System ist ein von vorn betrachtet schlichtes Kästchen mit gut 30 Zentimeter Breite. Ich hätte mir bisweilen eine kleine Funktionsleuchte gewünscht, weil man es tatsächlich einschalten muss (Foto: Shunyata)

Für den HiFi-Redakteur sind Firmen wie Shunyata ein Greul. Ihre Komponenten sind offenkundig klug gemacht und bringen klanglich viel, aber was genau sie tun, bleibt – umschreiben wir es freundlich – “nebulös”. Tragen wir zusammen, was wir wissen: Shunyata Chef Caelin Gabriel war schon bei der US-Army auf der Suche nach Hochfrequenzmüll, um diesen auszumerzen. Wir dürfen unterstellen, der Mann weiß, was er tut. Sein Patent (US8658892B2) beschreibt eine koaxiale Röhre, die einen HF-Filter nach elektromagnetischem Prinzip darstellt, mit der man Rauschanteile herausfiltern kann ohne dafür Spulen (Induktivitäten) oder Kondensatoren (Kapazitäten) im Signalweg verwenden zu müssen. Unter klanglichen Aspekten natürlich der überlegene Weg.

Shunyata Vertriebsleiter Grant Samuelsen, der vorletztes Jahr LowBeats einen Besuch abstattete, beschrieb bei der Gelegenheit den Aufbau dieser Filter, die alles andere als trivial sind: Zentrum des Koax-Filters ist ein Kupferdraht von höchster Reinheit (OFE C10100 auch Ohno Einkristall genannt), der bei Shunyata zusätzlich einen kryogenischen Prozess durchläuft – also mal eben auf minus 180 Celsius Grad gekühlt wird. Die Moleküle werden dadurch homogenisiert. Der Aufbau des Filters als Koax verhindert zudem Skin-Effekte. Wie der Filter aber letztendlich arbeitet – auch da blieb der Shunyata-Mann etwas nebulös…

Shunyatas Grant Samuelsen
Shunyatas Grant Samuelsen (links) beim Redaktions-Besuch. Vorn recht LowBeats Tonmeister Jürgen Schröder (Foto: H. Biermann)

Ob diese Filter im Shunyata Gemini eingesetzt sind? Weiß man nicht, aber die Indizienlage weist schwer darauf hin. Beim Test des Altaira-Systems habe ich mit viel Aufwand und der Gefahr, das Gerät zu beschädigen, unter die Haube geschaut – um dann enttäuscht feststellen zu müssen, dass bei Shunyata alles mit einer dämpfenden Masse vergossen ist und man wirklich so gut wie nichts entdecken kann. Diese Enttäuschung habe ich mir diese Mal erspart…

Die Besonderheiten des Shunyata Gemini Systems

Beim Altaira System entscheiden die Amerikaner zwischen Abführung der Spannungen aus dem Signalpfad und Abführung der Spannungen vom Gehäuse. Ich hatte ehrlicherweise keine großen Unterschiede zwischen den beiden Systemen gehört, bin mir aber sicher, dass mir die Amerikaner in einem Workshop die Unterschiede deutlich nahebringen können. Gemini jedenfalls zielt nur auf die Spannungs-Ableitung von den Gehäusen der HiFi-Komponenten. Und es bietet zusätzlich eine ambitionierte Steckdosenleiste,

Unser Gemini Testmodell bietet 4 Steckplätze, es gibt Gemini aber auch mit 8 Dosen (Preis noch nicht bekannt). Beide reduzieren dank gemeinsamen Erdungspunkt potenzielle Erdschleifen sowie Spannungsunterschiede zwischen den angeschlossenen Gehäusekomponenten. Teil des Konzepts ist auch ein Überstromschutz, der als elektromagnetischer Unterbrecher ausgeführt ist. Diese Bauform hat – anders als die in der Regel verwendeten Thermoschutzschalter – keine strombegrenzenden Effekte und ist deshalb klanglich überlegen.

Shunyata Gemini-4 Detail
Zu jeder Dose gehört eine Erdungsklemme. Zusätzlich findet sich hier noch der abgesicherte Einschalt-Knopf (grau), sowie eine weitere Erdungsklemmen, die für die Verbindung mit Power-Conditionern etc. gedacht ist (Foto: Shunyata)

Eine genaue Angabe, wie leistungshungrig die angeschlossenen Geräte sein dürfen, gibt es bei Shunyata nicht. Stattdessen die Angabe, es könnten auch Verstärker oder Endstufen mit mehr als 200 Watt pro Kanal sein. Unterstellen wir also mal bis zu 500 Watt pro Dose

Shunyata Gemini-4 Anschluss
Aus dem Shunyata-Katalog: Eine Unterscheidung von digitalen/analogen Komponenten oder zwischen großen und kleinen Verbrauchern gibt es offenkundig nicht (Zeichnung: Shunyata)

Das gesamte System wird angeblich – ich konnte ja nicht nachschauen – permanent von der Shunyata-eigenen DTCD™-Analyse überwacht. Sie misst den aktuellen Stromfluss an elektrischen Leitern und Kontakten mit niedriger Impedanz und will dadurch jederzeit eine maximale Lieferleistung sicherstellen. Wenn es funktioniert – super. Wie sie es macht? Das bleibt – genau: nebulös.

Also: die Steckdosen sind in gewisser Form gefiltert, die Erdungsbuchsen sind es ebenfalls. Hier kommen wahrscheinlich die patentierten Röhrenfilter namens NIC™ (Noise Isolation Chamber) zum Einsatz, welche die Spannungsanteile nicht nur einfach auf die elektrische Erde abführen, sondern auch effizient filtern und so verhindern, dass sie woanders klanglichen Schaden anrichten.

Das Shunyata-Credo

Und hier sind wir bei der speziellen Sicht der Shunyata-Leute auf das highfidele Geschehen: Die meisten Stromfilter sind einzig darauf ausgelegt, Störer von außen zu unterdrücken. Shunyata hat aber auch mir in vielen Workshops gezeigt, dass die Täter oft innen sitzen: Die angeschlossenen HiFi-Geräte erzeugen selbst HF-Schmutz und beeinträchtigen damit die anderen Komponenten der Anlage.

Shunyata Gemini-4 Rückseite
Die Verarbeitung des Gemini ist solide. Und Shunyata verwendet dämpfende Füße, die mögliche Vibrationen abpuffern (Foto: H. Biermann)

Genau dagegen wirken Filter, die Shunyata einsetzt. Auch ihr gesamtes Kabel-System fußt auf der Einschätzung, dass man nicht nur verhindern muss, dass Störsignale in die Kette einstreuen, sondern dass es ebenfalls zu verhindern ist, dass die Kette (oder einzelne Komponenten) andere Geräte beeinträchtigen. Gemini arbeitet deshalb mit einem mehrstufigen Filter, der elektrisches Rauschen und Interferenzen in beide Richtungen reduziert.

Das Gemini 4 hat – wie der Name schon sagt – vier Anschlüsse und ist also die Lösung für kleinere High-End-Systeme. Kann man mehrere Geräte an eine Schraube klemmen? Das ist in jedem Fall besser als nichts. Aber man läuft natürlich Gefahr, dass sich die Störungen, die man von einer Komponente abführen will, ungefiltert auf das andere angeschlossene Gerät übertragen. Also besser nicht.

Was Gemini aber im Vergleich zu Altaira so sexy macht, sind die Kabel-Anschlüsse in Form vergleichsweise einfacher Boxen-Klemmen. Sie nehmen jede Art von Kabel auf. Natürlich hat Shunyata ein riesiges Programm super geschirmter Kabel für die Verbindung von Gemini zu HiFi-Komponente. Aber es geht eben auch simpel. Ich habe für die Verbindungen klassischen Erdungsklemmen aus dem Centbereich genutzt – das funktioniert bestens. Und das bedeutet, dass man mit diesem System tatsächlich unterhalb 3.000 Euro bleiben kann, während Altaira allein wegen der Kabel mindestens doppelt so teuer wird.

Shunyata Gemini-4 Verkabelung
So kann eine Spannungs-abführende Verbindung aussehen: ein dünnes Kabel, festgeschraubt an der Gemini-Klemme und an einer Schraube des CD-Players VDRS-701 von Teac. Funktioniert einwandfrei (Foto: H. Biermann)

Hörtest

Wir haben das Gemini-System mit verschiedenen Anlagen und an verschiedenen Orten ausprobiert: darunter eine Kopfhörer-Anlage um den T+A Solitaire HA200, mit dem ich auch schon das große Altaira-System gehört habe. Die klanglichen Veränderungen mit und ohne Gemini sind dem Einsatz von Altaira absolut vergleichbar. Die Konturen der Klangbilder werden spürbar feiner und die Raumtiefe nimmt zu. Vor allem aber filtert Gemini kleine Lästigkeiten, die viele Aufnahmen etwas rauer erscheinen lassen, einfach heraus. Und was mir vor allem über Kopfhörer bei Altaira gar nicht so aufgefallen war: Die Klangfarben werden sogar etwas satter. Es klingt insgesamt klarer, aber auch schöner.

Shunyata Gemini-4 Anlage 2
Die Abhöranlage: CD-Player Teac VDSR-701, der Kopfhörer-Verstärker T+A Solitaire HA 200, der Kopfhörer T+A Solitaire P (Foto: H. Biermann)

Um nicht irgendwelchen Phänomenen aufzusetzen, schleifte ich das Gemini-Kästchen auch in meine Anlage zu Hause und in eine aktuelle Anlage im kleinen LowBeats Hörraum ein. Das Ergebnis war in beiden Fällen zwar nicht ganz so präsent wie über die Kopfhörer-Anlage, hatte aber exakt die gleichen Auswirkungen. Bei der fantastischen Anne-Clarke Aufnahme “Borderland” (Label: Stockfisch) wirkte die Stimme der Künstlerin nicht nur klarer gegen den Hintergrund abgegrenzt, sondern insgesamt verständlicher, minimal kraftvoller und wärmer. Von dieser größeren Klarheit und Ordnung profitiert das gesamte Klangbild, das sich auch nach hinten feiner und tiefer auffächert.

Shunyata Gemini-4 Anlage 1
Die Anlage im LowBeats Hörraum: Gemini 4, CD-Player Teac VDRS-701 und Vollverstärker Canor A-2 (Foto: H. Biermann)

Es ist ein bisschen wie beim Augenarzt: Irgendwann kommt er beim Sehtest zur genau richtigen Linse und dann wird es mit einem Mal erfreulich schärfer. Genau das bewirkt das Shunyata Gemini mit seiner Kombination aus gefilterter Steckdosenleiste plus Hochfrequenzmüll-Ableitung: Es klingt sofort klarer, feiner, “richtiger”.

Fazit Shunyata Gemini System

Ich hatte es vorab geahnt und während der Tests wurde es Gewissheit: Diese Form der gefilterten Steckdosenleiste in Kombination mit der gezielten Spannungs-Abführung gleicht vom Effekt her jenem des Altaira-Systems, kostet aber unter dem Strich deutlich weniger.  Deshalb ist Gemini aus meiner Sicht für alle etwas anspruchsvolleren Anlagen zu empfehlen, weil sich immer mehr Hochfrequenzmüll an den Metallteilen der Komponenten und auf den Gehäusen sammelt und tatsächlich den Klang beeinträchtigt. Es ist wie ein Zeichen der modernen Zeit, die mit immer mehr Digitalgeräten immer mehr HF-Müll in die Welt schleudert und die solche Zusatzgeräte für ein vollendetes Musikerlebnis fast schon zwingend erfordert.

Übrigens: Shunyata empfiehlt das Gemini auch für den Einsatz im Netzwerk. Das habe ich ebenfalls ausprobiert, habe also Server und Router ebenfalls verbunden. Das klangliche Ergebnis ähnelt leider dem des Hörtests: Das Klangbildbild wird hörbar klarer, besser. Im Grunde muss man verrückt werden – und wünscht sich das HiFi der 80er zurück…

Shunyata Gemini System
2024/08
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Klanggewinn
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Schärft die Konturen, erhöht die Feindynamik, wirkt stabiler
Effizienter Überlastschutz
Simpel zu bedienen, gut verarbeitet
Unterm Strich nicht teuer

Vertrieb:
Audio Components Vertriebs GmbH
Leverkusenstraße 3
22761 Hamburg
www.audio-components.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Shunyata Gemini-4: 2.990 Euro

Technische Daten

Shunyata Gemini System
Konzept:Gefiltertes HF-Störung-Ableitungssystem mit Steckdosenleiste
Gehäuse:Pulverbeschichtetes Stahlgehäuse
Anschlüsse:4
Maximaler Ausgangsstrom:15 A
Besonderheiten:Hydraulisch-elektromagnetischer Schutzschalter
Abmessungen (B x H x T):31,1 x 12,1 x 14,9 cm
Gewicht:3,2 Kilo
Alle technischen Daten
Mit- und Gegenspieler:

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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.