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Canton GLE 90 AR
Die Canton GLE 90 AR ist eine der besten Möglichkeiten, auf dezente Art und Weise Dolby Atmos ins Wohnzimmer zu holen. Ihr Preis: 1.800 Euro (Foto: Canton)

Test Canton GLE 90 AR: beste Lösung für Eco-Dolby-Atmos?

Cantons derzeitige GLE Serie ist ja schon seit über drei Jahren am Markt. Der nun vorliegende Test hat also nur wenig mit Aktualität zu tun, sondern mit einem drängendem Problem, das LowBearts Leser immer wieder an uns herantragen. Deren Frage: Muss man für opulenten Raumklang im Wohnzimmer tatsächlich die für Dolby Atmos (DA) empfohlenen (mindestens) sieben einzelnen Lautsprecher (inklusive Decken-Lautsprechern) unterbringen? Da murren nicht nur die Ästheten unter den Hörern. Auf der anderen Seite sind die weit verbreiteten Soundbars, von denen etliche das Dolby Atmos Label tragen, ehrlich gesagt nicht wirklich geeignet. Wie soll das auch funktionieren? Alle Schallquellen in einem, zudem kompakten Klangriegel? Richtig gut klingt es eigentlich nur mit mindestens sieben eigenständigen (diskreten) Kanälen, von denen zwei Lautsprecher prinzipbedingt unter der Decke hängen.

Canton GLE 90 AR weiss
Die Canton GLE 90 AR gibt es auch im attraktiven Weiß (Foto: Canton)

Aber vielleicht gibt es ja einen Mittelweg? Wir meinen, einen gefunden zu haben. Einen, der nur mit einem Paar Lautsprecher auskommt und den wir der Einfachheit halber als „Eco-Dolby-Atmos“ betitelt haben. Im Zentrum steht die Canton GLE 90 AR.

Die Besonderheiten der Canton GLE 90 AR

Als Dolby Atmos aufkam, gab es gleich einen ganzen Schwung attraktiver Standboxen mit integriertem Dolby-Atmos-Aufsatz. Um diese Boxen-Gattung ist es in den vergangenen Jahren etwas ruhiger geworden, aber Cantons GLE 90 AR zieht beständig und erfolgreich ihre Kreise. Wahrscheinlich, weil sie einfach eine exzellente Standbox ihrer Klasse ist. Und, weil sie – anders als viele Mitbewerber – den integrierten DA -Aufsatz mit einer klassischen 2-Wege-Kombination abbildet. Bei den Mitbewerbern kamen hier häufig Breitbänder zum Einsatz.

Canton GLE 90 AR AR-Modul
Das AR-Modul ist im Grunde eine vollständige 2-Wege-Box, aber im Winkel von 20° eingebaut. Und es gibt zusätzlich noch einige akustische Besonderheiten – und natürlich auch eine Abdeckung … (Foto: H. Biermann)

Die Idee hinter diesen Aufsätzen ist einleuchtend: Damit sollen die für Dolby Atmos notwendigen Deckenlautsprecher simuliert werden. Das ist alles andere als trivial. Damit ein Lautsprecher wie die GLE 90 AR das begehrte Dolby-Label bekommt, muss der Aufsatz nicht nur einen speziellen Frequenzgang (der oberhalb 8.000 Hz recht ungewöhnlich verläuft) aufweisen, sondern natürlich auch stärker bündeln als HiFi-Lautsprecher dies gemeinhin tun: Wer genau hinschaut, erkennt das deutlich tiefer ausgeprägte Horn des oben sitzenden Hochtöners. Der Hornvorsatz seines sehr ähnlichen Kollegen auf der Schallwand der GLE 90 AR verläuft viel flacher. Die Kunst besteht darin, all diese Vorgaben mit passiven Filtern und akustischen Tricks wie dem Hornmund vor dem Hochtöner umzusetzen.

Dolby Atmos Aufsatz Funktion
Die Skizze zeigt, wie die AR-Aufsätze gedacht sind: Durch die starke Bündelung der nach oben abstrahlenden Systeme sollen Decken-Lautsprecher simuliert werden (Grafik: Sony)

Ebenfalls eine Dolby-Vorgabe ist die Anwinkelung des AR-Moduls von 20°. Damit meinen die US-Amerikaner, bei einer angenommenen Durchschnitts-Deckenhöhe den besten Effekt zu erzielen. Bei uns im kleinen LowBeats Hörraum und im Büro (beide haben eine Deckenhöhe von 2,80 Meter) hat es jedenfalls bestens funktioniert.

Canton GLE 90 AR Anschluss
Weil die GLE 90 AR aus zwei einzelnen Lautsprechern besteht, muss sie entsprechend auch mit zwei unterschiedlichen Kabelsätzen angesteuert werden (Foto: H. Biermann)

Betrachten wir noch den (nicht unwesentlichen) Rest der GLE 90 AR. Es ist eine 3-Wege Canton-Standbox reinsten Wassers: Alle Konus-Treiber haben die bewährte, silbergraue Membran aus dünner Titanfolie, die beiden Hochtöner eine Kalotte aus bewährtem Aluminium-Mangan-Mix. Und wie alle Cantons, die ich bislang getestet habe (und das waren sicherlich an die 100 Modelle) ist auch die GLE 90 AR vorbildlich verarbeitet. Der Korpus ist innseitig mehrfach versteift, außen sauber foliert und die makellos lackierte Schallwand passgenau davorgesetzt. Da macht den Hessen keiner etwas vor.

Canton GLE 90 AR SChallwand
Der Blick in die GLE 90 AR zeigt den soliden Aufbau. Sauber gemachte Einfräsungen, die penibel lackierte Schallwand und Vibrations-hemmende Querverstrebungen (Foto: H. Biermann)

Praxis

Die GLE 90 ist – wie schon angedeutet – ein exzellenter Lautsprecher fürs Geld. Die beiden Bässe schieben ordentlich viel Tiefton an, der recht große Mitteltöner steht für verzerrungsarme Mitten (und damit für hohe Durchhörbarkeit) und das Baukasten-System, aus dem Canton Entwicklungschef Frank Göbl in der Regel die richtige Kombination wählt, bringt es auf stattliche 106 dB Maximalpegel – mit Messtönen wohlbemerkt. Mit Musik oder Filmton schafft sie gar 118 dB. Das ist wirklich laut und ersetzt schon fast das ausgewachsene Heimkino mit Subwoofern.

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LowBeats Pegel-Messung Canton GLE 30 AR@
Erwartungsgemäß zeigt die GLE 90 AR bei den klassischen Wohnzimmerpegel-Messung (85 dB) so gut wie keine Verzerrungen (Messung: J. Schröder)
LowBeats Pegel-Messung Canton GLE 30 AR@106 dB
Bei hohem Pegel zeigt die GLE 90 AR breitbandige Verzerrungen (Messung: J. Schröder)
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Fast 120 Dezibel! Dazu ein satter Bass bis unter 50 Hertz: Genau wegen dieser Fähigkeiten fiel unsere Wahl auf die Canton. Doch bevor wir jetzt komplett ins Jubeln verfallen, schauen wir noch auf das Impedanz- und Phasenverhalten, das bei Canton in früheren Jahren gern einmal etwas heikel verlief. Aber Entwarnung: Ich will das der GLE 90 AR nicht als optimal beschreiben – dazu liegt der EPDR-Wert, der sich aus der Phase (blaue Kurve) und der Impedanz (rote Kurve) ergibt, unterhalb 1.000 Hertz etwas zu niedrig. Aber prinzipiell verlaufen die Phase und die Impedanz noch einigermaßen linear und auf einem Niveau, mit dem auch kleinere Verstärker zurechtkommen sollten. Da ist auch der sehr hohe Wirkungsgrad von 90 dB sehr hilfreich…

LowBeats Messung Canton GLE 90 AR Impedanz, Phase, EPDR
Impedanz (rote Kurve) und Phase (blaue Kurve) verlaufen einigermaßen linear, der EPDR-Wert (graue Kurve) sackt allerdings zweimal deutlich unter 2 Ohm. Für schwache Verstärker keine optimale Bedingungen (Messung: J. Schröder)

Wir hatten im Versuchsaufbau sowohl den neuen Marantz Cinema 50, das derzeit womöglich beste AV-Receiver-Angebot um 1.500 Euro, sowie den Canton Smart Amp 5.1, der Konzept-bedingt natürlich mit allen Modellen aus dem Canton-Programm gut zusammenspielt. In beiden Fällen war das klangliche Ergebnis richtig gut. Doch dazu später mehr.

Canton Smart Amp 5.1
Der unscheinbare, weil sehr kompakte Smart Amp 5.1 ist die eierlegende Wollmilchsau unter den AV-Verstärkern. Zudem mit 850 Euro nicht sehr teuer… (Foto: H. Biermann)

Wichtig für unseren Testaufbau war, dass die AV-Verstärker in der Lage sind, das Dolby-Atmos-Signal tatsächlich nur auf die vier Lautsprecher des GLE-Sets verteilen können. Sowohl die Center-, als auch die Subwoofer- wie auch die Rearspeaker-Signale müssen ja allesamt von den beiden GLE 90 AR abgebildet werden; mehr Lautsprecher wollten wir im Raum nicht unterbringen. Aber Obacht: Eine solche Verdichtung der Kanäle funktioniert nicht mit jedem AV-Verstärker oder -Receiver.

Mit diesen beiden aber schon. Der Canton-Amp zaubert ja bereits mit einem klassischen Lautsprecherpaar so etwas wie Dolby Atmos. Aber das ist vom Effekt natürlich nicht einmal so gut wie der Raumklang von Soundbars. Die integrierten AR-Module dagegen ziehen den Klang sehr viel besser und beeindruckender in die Höhe. Es bedarf allerdings nach der Kanal-Zuweisung im Menü der AV-Verstärker einer peniblen Delay-Einstellung der Höhen-Kanäle: Mit einem Rausch-Signal (wer keines zur Verfügung hat, nimmt eine Blu-ray mit aufziehendem Gewitter) lässt sich die Höhenabbildung recht einfach einstellen. Ich jedenfalls hatte in unserem großen Büro (das nur wenig gedämmt ist) nach der Einstellung eine wirklich überzeugende Darstellung in der Höhe.

Der Hörtest …

… fällt natürlich zweistufig aus. Im klassischen Stereo-Durchgang zeigte sich die Canton GLE 90 AR als blitzsauber abgestimmte Standbox. Auffällig ist vor allem die hohe Klarheit, mit der die Canton den gesamten Mittelhochton-Bereich sauber präsentiert und es sogar schafft, einzelnen Stimmen eines Chores sauber auseinander zu dividieren. Ich nehme zum Hörtesten ja immer gern die Aufnahme der Harfenistin Andrea Kleinmann (Album: Saitenwind). Der Kollege Schröder, der auch bei LowBeats den Tonmeister gibt, hat diese Aufnahme selbst eingefangen und ich kenne sie deshalb genau. Vor dem Hintergrund weiß ich, dass die GLE 90 AR das große Instrument und die ausschwingenden Saiten erfreulich authentisch wiedergibt: sehr anspringend, wunderbar lebendig und offen. Dazu kommt dieser enorm satte, gleichwohl durchzugstarke Tiefton, der nicht nur der Harfe das richtige Fundament gab, sondern auch elektronische Bässe direkt in die Mägen der Zuhörer drückt. Die GLE 90 AR ist also kein audiophiles Mauerblümchen, das sich um den exakt richtigen Ton bei der Wiedergabe von Streichern müht, sondern ein Lautsprecher, der kernig und offen spielt. Und das sehr beeindruckend.

Canton GLE 90 AR Ambiente mit Marantz Cinema 50
Die GLE 90 AR am Marantz Cinema 50. Der AV-Receiver ist vielseitig einstellbar, klingt wunderbar ausdrucksstark und auch nochmals besser und feiner als der Smart Amp von Canton… (Foto: H. Biermann)

Es sind genau diese Qualitäten, die wir für die Filmton-Wiedergabe brauchen: beste Durchhörbarkeit und eine Pegelfestigkeit auch im Bass, die sonst nur größere Heimkino-Systeme bieten. Für eine Beurteilung im Immersive-Bereich nutze ich meist Martin Kälberers Blu-ray “Raum”, die, wie ich finde, in Bezug auf Raumdarstellung von oben, aber auch im Ton eine echte Referenz darstellt. Zunächst spielten wir die Aufnahme über die GLE 90 ohne AR-Zusatz – einfach, um zu schauen, was moderne Virtualisierung und gutes Down-Sampling heute bringen kann.

Das war ehrlich gesagt gar nicht übel. Die Prägnanz ließ ein bisschen nach, aber der Raum gewann gegenüber der “normalen” Stereo-Einstellung deutlich – nach hinten, aber auch ein wenig nach oben. Doch mit dem Anschluss des AR-Moduls an den entsprechend eingestellten Ausgängen der AV-Verstärker wurde es mit einem Schlag erheblich besser. Martin Kälberer lässt auf seiner “Raum” Aufnahme Kastagnetten-ähnliche Geräusche hinter dem Hörer an der Decke von rechts nach links laufen.

Martin Kälberer "Raum" Cover
Eine der besten Immersive-Aufnahmen am Markt: Martin Kälberer “Raum” (Cover: Qobuz)

Das schaffte die GLE 90 AR ziemlich überzeugend und erheblich besser als das virtualisierte Signal über die einfache Stereo-Variante. Zudem waren wir uns alle sicher, dass mit dem Zuschalten des AR-Moduls auch die Sprachverständlichkeit noch einmal gewann. Es folgte, was immer folgt, wenn uns etwas Spaß macht: Eine Blu-ray nach der anderen wanderte in den Schlitz des Oppo-Players und fast immer war das Ergebnis: “Boh! Gar nicht schlecht.” Zumal die Canton ja auch die klassischen Blockbuster-Streifen à la “Dark Knight” oder “Mission Impossible” fast mühelos auch mit Kino-Pegel wiedergeben kann…

Fazit Canton GLE 90 AR

Die GLE 90 ist nicht mehr ganz jung, aber noch immer eine der besten Standboxen ihrer Klasse. Sie klingt blitzsauber, fein, detailliert, aber auch enorm bassstark und hochdynamisch. Das kennt man von Canton. Doch die GLE 90 in der AR-Version kann noch viel mehr – nämlich das Thema Dolby Atmos in einer äußerst wohnraumfreundlichen Variante abbilden. Es gibt einige Standboxen mit eingebautem AR-Modul und viele von ihnen sind sicherlich gut. Aber in der Summe der Eigenschaften – tiefer Bass wie ein Subwoofer, beste Sprachverständlichkeit und eine Dynamik sowie Pegelfestigkeit – ist die GLE 90 AR für die Eco-Dolby-Atmos-Wiedergabe (also möglichst viel Surround mit möglichst wenig Lautsprechern) das beste Angebot, das wir kennen. Eine dicke Empfehlung.

Canton GLE 90 AR
2024/09
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Druckvoller, gut durchzeichneter Klang mit tiefem und sattem Bass
Gut gemachtes AR-Modul
Hohe Pegelfestigkeit, auch das AR-Modul
Sehr hoher Wirkungsgrad (90 dB)

Vertrieb:
Canton Elektronik GmbH + Co. KG
Neugasse 21 – 23
61276 Weilrod
www.canton.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Canton GLE 90 AR: 1.800 Euro

Technische Daten

Canton GLE 90 AR
Konzept:3-Wege-Standbox mit integriertem Dolby-Atmos-Aufsatz
Bestückung:TT: 2 x 19,2 cm, MT: 1 x 17,4 cm, HT: 1 x 25 mm Kalotte plus AR-Modul: TMT: 1 x 17,4 cm, HT: 1 x 25 mm Kalotte
Nominelle Impedanz:3,2 Ohm
Wirkungsgrad (2,83 V/m):90 Dezibel
Max. Pegel (Dauer/kurzfristig):106 /118 Dezibel
Min.-Leistung für Max.-Pegel (Dauer):>230 Watt
Abmessungen (B x H x T):21,0 x 118,1 x 30,3 cm
Gewicht:
22,1 Kilogramm
Alle technischen Daten
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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.