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Joe Bonamassa ist mit einer gewaltigen Aufnahme eines von vier Highlight-Alben des Juni – unser musikalischer Rückblick

Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des Juni 2024

Wir haben wieder einen Blick zurückgeworfen und hier die musikalischen Highlights des Juni 2024 zusammengefasst. Dieses Mal mit einigen ganz Großen:

1.) Beatles forever: Paul McCartney & Wings mit einer Weltpremiere: Die Filmdoku „One Hand Clapping“ gibt’s erstmals komplett offiziell plus Bonustracks.

2.) Johnny Cash kommt uns über 20 Jahre nach seinem Tod mit „neuen“ alten Songs von 1993 als „Songwriter“ zu Ohren – ein gediegenes, wieder entdecktes Vermächtnis des „Man in Black“.

3.) Joe Bonamassa lebt und formt den modernen Blues vehement. Sein neuester Coup führt den Komponisten, Sänger und Gitarristen ins ehrwürdige Hollywood Bowl: Ein Live-Event der Extraklasse.

4.) Die Toten Hosen feiern Geburtstag – und zwar ihren jahrzehntelangen Erfolg in Südamerika, „Fiesta y Ruido: Die Toten Hosen live in Argentinien“ geht als packendes Live-Opus in die Karriere der deutschen Pop-Punker ein. Alles andere als tote Hose.

Die musikalischen Highlights des Juni 2024:

Wir starten mit Paul McCartney. Bereits vor einem halben Jahr kamen wir in den Genuss des Reissues von „Band On The Run“ der britischen 70er-Jahre-Megatruppe um Paul, nun folgt eine größere Rarität: „One Hand Clapping“. Wem das als Nicht-Paul-Fan nichts sagt, Schwamm drüber. Umso mehr dürfte die Musik zur Filmdoku aus dem Sommer 1974 nicht nur Beatles-Liebhaber aufhorchen lassen. Unerhört: Obwohl die Band damals auf einer Erfolgswelle surfte, blieben die verfilmten Studiosessions von Regisseur David Litchfield und weitere Songs ohne Kamerabegleitung teilweise unveröffentlicht. Auch der Film. Wo ist der denn? Verschollen? Oder ist der nicht gut geworden? Fragen über Fragen.

Manche Stücke fanden immerhin ihren Weg auf Alben von Paul McCartney oder gingen als Bootleg in Fansammlungen ein. Doch zu den Fakten: Im August 1974 gingen das Rumpftrio aus Paul, seiner Frau Linda und Multiinstrumentalist Denny Laine zusammen mit Jimmy McCulloch (Gitarre), Geoff Britton (Drums) und Howie Casey (Saxofon, er spielte mit Paul früher in Hamburg) in die Abbey Road Studios. Ebenso mit dabei: Die Tuxedo Brass Band und Howie Casey sowie Orchesterparts unter der Führung von Del Newman.

Was hören wir? Zum einen Studio-Takes von Wings-Hits wie „Live And Let Die“, „Band On The Run“, „Jet“, Junior’s Farm“ oder „Hi, Hi, Hi“ oder „Maybe I’m Amazed“. Die Band spielte aber auch Beatles-Klassiker wie „Let It Be“, „The Long And Winding Road“ oder „Lady Madonna“. Zudem coverten sie unter anderem „Go Now“ von den Moody Blues. Das Klangbild variiert etwas, zieht unterm Strich jedoch eine recht ausgewogene solide Linie.

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Paul McCartney & Wings „One Hand Clapping“ (Cover: jpc)

Giles Martin und Steve Orchard („McCartney III“) haben die Bänder sogar für Dolby-Atmos-Fans neu gemischt. Die opulenteste Edition vereint neben der Doppel-LP noch eine 7-Inch-Scheibe, unter anderem mit den Songs „Blackpool“, „Blackbirds“ oder „Country Dreamer“. „Einhändiges Klatschen“ dafür wäre dafür zu wenig. Also: Lauter Applaus!

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Paul McCartney / Wings „One Hand Clapping“ erscheint bei Capitol / Universal als 2CD- oder 2-SHM-CD oder als Doppel-LP + 7’’-Scheibe sowie als Stream oder Download, zum Beispiel bei qobuz

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Johnny Cash weilt bereits über 20 Jahre nicht mehr unter uns. Mit 71 ist der Country- und Rockabilly-Mann 2003 viel zu früh verstorben. Immerhin hat uns „The Man in Black“ ein reiches Vermächtnis mit zig Alben und Hunderten Konzerten hinterlassen. In seinen letzten Schaffensjahren setzte er nochmal einen drauf und vertonte Klassiker (darunter Songs von U2 oder Tom Petty) mit dunkel-sonorer Stimme und Gitarre auf seinen „American Recordings“, auf dem gleichnamigen Label von Top-Produzent Rick Rubin (Tom Petty, Lana Del Rey, Neil Young, Adele). Die sechsteilige Serie erstreckte sich bis 2010 über Cashs Tod hinaus. Rubin hielt große Stücke von Cash. Was es bedeutet Künstler zu sein, illustriert Rubin in dem Buch „Kreativ. Die Kunst zu sein: …“.

Tatsächlich holt der Promi-Produzent den Country-Musiker mit Hits wie „Folsom Prisom Blues“ oder „Ring Of Fire“ zurück ins Rampenlicht. 1994 soll Cash nicht mal mehr einen Plattenvertrag in der Tasche gehabt haben.

Und nun ein „neues“ altes Album von Cash…? Das wirft Fragen auf. Die Stücke zu „Songwriter“ sollen 1993 entstanden, jedoch (fast) in Vergessenheit geraten sein. Cashs Sohn John Carter und der langjährige Cash-Produzent David Ferguson haben die Songs „entdeckt“ und überarbeitet. Heißt es. Wie soll man sich das vorstellen? Liegen die Songs bei Cash & Co. die ganze Zeit irgendwo rum? Und wie geht so eine „Entdeckung“ vonstatten? „Oh, schau mal, da hinten in dem Karton liegt noch ein Band von Johnny …“ Oder wie? Wir werden es wohl nie erfahren …

Anyway: Wir freuen uns über die elf Songs, die Cash musikalisch zwischen seinem langjährigen traditionellen Stilmix und den „American Recordings“ in der Tat als vielseitigen, wenngleich bodenständigen Songwriter zeigt. Kleine Geschichten um Liebe, Trauer, Spiritualität, Lebenskampf, teils gewitzt verpackt. Cashs Songs, zeitlich über viele Jahre entstanden, begleiten dabei Mitstreiter wie Marty Stuart (Gitarre), Dave Roe (Bass) oder Pete Abbott (Drums). Und so rockt das Ganze schonmal, die Orgel röchelt, die Gitarren schillern und formen bunte bluesy Soli und hier und da glänzt sogar Orchester-Support. Auch der Klang stimmt, druckvoll und schön aufgelöst. „Vaters Ratschlag für alles, ob es das Leben oder das Musikmachen ist, war immer ‚folge deinem Herzen‘“, erinnert sich Sohn John Carter. Gut so, Junge. Neben der Elf-Track-Ablum vereint die „Limited Deluxe Edition“ noch die Bonus-CD „Icon“.

Johnny Cash
Johnny Cash „Songwriter“ erscheint bei Universal Records als CD, Doppel-CD, LP sowie als Stream oder Download, zum Beispiel bei qobuz

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Joe Bonamassa lebt und formt den modernen Blues vehement. Sein neuester Coup führt den Komponisten, Sänger und Gitarristen ins ehrwürdige Hollywood Bowl: Ein Live-Event der Extraklasse in Kalifornien. „2003 zog ich nach Los Angeles auf der Suche nach neuen Herausforderungen und günstigeren Mieten als in New York City. Bei meinem ersten Auftritt im ‚The Mint‘ waren fünf meiner Freunde anwesend und das war alles.

Seitdem haben wir viele Male im ‚Greek Theatre‘ gespielt, aber die Bowl war immer ein Traum. Das Orchester und die schiere Größe der Veranstaltung und des Veranstaltungsortes werde ich nie vergessen. Ich bin so dankbar, dass wir dieses besondere Ereignis in meinem Leben gefilmt haben“ so Bonamassa. Richtig gelesen: Das Event wurde nicht nur tontechnisch prima eingefangen, sondern auch knackig scharf und ästhetisch gefilmt. Die DVD oder Blu-ray gibt’s zur CD dazu.

Blueser wissen um Joes Können, dreimal wurde er für den „Grammy“, 15 mal für den „Blues Music Award“ nominiert und viermal hat er letzteren schließlich gewonnen. Und bleibt dabei nicht eigennützig: Seine Organisation „Keeping The Blues Alive“ unterstützt Schulen und Künstler, bislang sollen so mehr als 100.000 Schüler profitiert haben.

Bonamassa
Joe Bonamassa „Live At The Hollywood Bowl With Orchestra“ erscheint bei Mascot als CD-/DVD- oder CD-/Blu-ray-Set sowie auf Doppel-LP oder als Stream oder Download, z.B. auf qobuz.com

Doch zurück zum Event im „Hollywood Bowl“ – mit Orchester. Blues mit Klassik…? Was spontan Stirnrunzeln hervorrufen könnte, legt sich ganz schnell und entspannt, sobald die ersten Takte losgehen. Bereits das Intro lockt vehement – und erinnert dabei an Neil Diamonds kammermusikalische Ouvertüre zum Hammer-Live-Album von 1972 „Hot August Night“.

Aus dezenten Anfängen entwickelt sich ein Streicher-Sturm, den gehörig fette Rock-Salven und orientalischem Sound-Touch begleiten. Dazu: Die himmelhochjauchzende E-Gitarre des Meisters.
Bonamassa und seine MitspielerInnen scheinen sich prächtig zu verstehen und entspinnen so einen packenden Dialog-Flow. Dazwischen triumphieren Trompeten-Solo-Einlagen oder ein irischer Klang-Frühling vom stattlichen 40-köpfigen Klangkörper. Joe’s sonor- energetische Stimme ragt markant heraus und gibt den Ton an. Klasse! Für Fans ein Fest. Und für Joe – wie von ihm bemerkt – ebenfalls. Was einst für den vierjährigen Joe im Gitarrengeschäft seines Vaters mit einer Miniatur-Gitarre im Chiquita-Bananen-Outfit begann – so die Kunde – läuft hier zum vorläufigen Höhepunkt seines Schaffens auf.

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Videoclip: „If Heartaches Were Nickles“

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Die Toten Hosen feiern Geburtstag. Mit dem Anzünden von Geburtstagskerzchen sind die Düsseldorfer momentan in trauter Gesellschaft. Herbert Grönemeyer blickt auf 40 Jahre „4630 Bochum“ zurück, Westernhagen geht mit „Radio Maria“ nach 25 Jahren remastert auf Sendung und die Scorpions feierten bereits „Love At First Sting“ ein Jahr vor dem 40. Sei’s drum.

Zurück zu den Hosen, die bereits seit 1982 für ihre rüden und schlau eingefädelten Punk-Überfälle berüchtigt sind: Von wegen deutsches Liedgut kommt im Ausland nicht an – die Scorpions können ein Lied davon singen mit „Wind Of Change“. Den 11. September 1992 strich die Düsseldorfer Truppe um Andreas Joachim Wolfgang Konrad Frege alias Campino knallrot an: Damals spielten die Hosen zum ersten Mal live in Argentinien – der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Das nahmen die Jungs 30 Jahre später zum Anlass es nochmal und wieder richtig krachen zu lassen – in der Hauptstadt sowie in Tandil – was nichts mit der Waschmittel-Eigenmarke von Aldi zu tun hat, sondern eine nette Universitätsstadt im Inneren Argentiniens meint.

Tote Hosen
Die Toten Hosen „Fiesta Y Ruido: Die Toten Hosen Live In Argentinien“ erscheint bei JKP / Warner als CD oder Doppel-LP sowie als Stream oder Download, z.B. auf qobuz.de

20 Songs umfasst das Live-Werk, darunter auch solche, die für argentinische (Punk-)Bands wie Los Violadores teils zu einer Art Blaupause werden sollten. So „Más allá del bien y del mal“, „Iván fue un comunista“, „Uno, Dos Ultraviolento“ und „Represión“. Teils aufbegehrende Stücke mit Fokus auf die Machenschaften der früheren argentinischen Militärdiktatur.

Einen weiteren Höhepunkt formt „Ya No Sos Igual“, ein argentinischer Punkrock-Klassiker von Dos Minutos, deren Frontmann Mosca 2022 gemeinsam mit den Toten Hosen in Buenos Aires aufgetreten ist. Wild, verrückt, rotzig, mitreißend, was die Herren (heute um die 60 Jahre alt) da auf die Bühne brachten. Alles andere als tote Hose!
Fans werden es zu schätzen wissen, auch das Schmankerl der Geburtstagsscheiben: Die Doppel-LP soll in einer auf 10.000 Stück limitierten, nummerierten mit jeweils weißem und blauen Vinyl (180 Gramm) beglücken.

Die Toten Hosen „Fiesta Y Ruido“
2024/07
Test-Ergebnis: 4,1
SEHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Videoclip „Freunde“

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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.