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Accentum Plus Wireless Farben
Der Accentum Plus Wireless (Bild) ist Sennheisers neue Kopfhörer-Kampfansage im Bereich unterhalb 200 Euro. Ebenfalls im Test: der Sennheiser Momentum True Wireless 4 für 300 Euro (Foto: Sennheiser)

Doppeltest Sennheiser Momentum True Wireless 4 & Accentum Plus Wireless

Sennheiser Teil zwei: Nach der Reportage aus dem Werk in Tullamore und den kabelgebundenen Klangwandlern widmen wir uns nun den freilaufenden Modellen. Wie viel audiophiler Klang ist per Bluetooth möglich? Erstaunlich viel, wenn es nach dem Produktmanager Frank Foppe geht. Im Interview betont er, dass der Standard noch längst nicht ausgereizt sei. Seine These: Bluetooth wird eines nahen Tages besser klingen als jede Verbindung per Kabel. Aber Sennheiser legt schon jetzt vor – mit den neuen Modellen Sennheiser Momentum True Wireless 4 & Accentum Plus Wireless. Einer ist ein In Ear, einer ein Over Ear, aber beide sind preislich ein Hammer…

Test: Sennheiser Momentum True Wireless 4 & Accentum Plus Wireless

Fangen wir mit dem kleineren, aber teureren Neuling an. Der Momentum True Wireless 4 steht in einer Ahnenreihe, die sich bewährt hat – halt die aktuelle Nummer vier. Die Unterschiede zur Vorgängerversion sieht man nicht, fühlt man nicht.

Sennheiser Momentum True Wireless 4
Unauffällig solide: die neuen Sennheiser Momentum True Wireless 4 (Foto: Sennheiser)

Klasse ist die Erfindung der „Ohrfinnen“. Das sind Ringe, die man als Nutzer um den Korpus legt, besagte Finne fügt sich dann in eine Rille des Außenohrs und steigert den Halt deutlich. Drei Ohrfinnen-Größen liegen bei, dazu vier Passstücke für den Hörkanal. Aufgepasst: Nicht dem Irrglauben verfallen, das eigene linke wie rechte Ohr seien perfekt symmetrisch. Es lohnt sich das Experimentieren auch und gerade mit unterschiedlichen Passtücken – denn nur wenn der Ohrkanal verschlossen ist, kommen auch die Bassinformationen ans Trommelfell.

Neu sind zwei Technologien: Auracast und LE Audio. Beide sind verwandt, bedingen einander und stammen aus jener Technologieschmiede, die Lizenzen vergibt – die SIG, die Bluetooth Special Interest Group. LE steht dabei für „Low Energy“ – die Datenübertragung frisst weniger Strom. Weit wichtiger: Das Weniger an Energie kann für eine höhere Datenrate und in der Folge eine höhere Auflösung genutzt werden. Bluetooth SIG schickt sich an, die alte SBC-Basis gegen den neueren Standard LC3 zu tauschen. Ein komplexes Thema, dem LowBeats zeitnah eine eigene Faktensammlung folgen lässt.

LE ist auch die Basis, auf der Auracast aufbaut. Es geht darum, eine Quelle an eine unbegrenzte Anzahl an Abnehmern zu senden. Klingt erst einmal banal, eröffnet aber neue Szenarien. Statt über Lautsprecher wird ein Vortrag, eine Vorlesung per Bluetooth Auracast an alle Hörer im Raum geschickt. Oder der Film im Kino in mehreren Sprachen. Vorteil im Vorteil: Jeder Nutzer kann seine individuelle Lautstärke wählen – und auch Menschen mit Hörbeeinträchtigung werden eingebunden, ein Schlüsselfaktor für den großen Hörgerätehersteller hinter Sennheiser. Bluetooth 5.2 ist die technische Grundvoraussetzung. Die schlechte Nachricht für Apple-Nutzer: Der Gigant aus Cupertino ziert sich hier noch.

Bei Sennheiser stehen jedoch alle Qualcomm-Prozessoren und alle Sinne offen. Der True Wireless 4 ist Profiteur. 30 Stunden an Wiedergabe sind realistisch, das Ganze maximal nutzerfreundlich – einfach das Case mit den Kopfhörern auf eine Qi-Ladefläche legen, Kabel sind möglich, aber etwas von gestern. Wie gesagt: Der Erstkontakt gelingt ohne Bedienungsanleitung, einfach den Bluetooth-Scan des Smartphones starten. Was aber umständlicher wäre. Eleganter: Sennheiser legt dem Lieferumfang eine Schnellanleitung bei – mit QR-Code. Einfach die Kamera draufhalten und die App herunterladen. Gelingt in zwei Minuten. Dann führen lassen.

Sennheiser App
Die Sennheiser App empfand ich als angenehm intuitiv (Foto: Sennheiser)

Der Screen zeigt die Kopfhörer (sogar in der richtigen Farbe), unter „My Sound“ wird personalisiert – in einem ersten Schritt rein linear, in einem zweiten Schritt kann ich zum fünfbändigen Equalizer greifen. Ebenso lässt sich auch die Effektivität, die Abschottung des Noise Cancelling vorgeben – bis zum kompletten Verzicht. Elegant lassen sich auch unterschiedliche Modi für unterschiedliche Lebenssituationen hinterlegen – auf dem ruhigen Sofa im Wohnzimmer brauche ich ANC nicht, aber umso mehr in der U-Bahn.

Im Interview mit Frank Foppe vermittelte dieser mir das Gefühl, das gerade in den Bereichen Geräuschunterdrückung, Qualität bei Sprachanruf und bei der Transparenz-Funktion einiges passiert sei. Und ja: Ich hatte den Eindruck, dass Sennheiser in der Generation 4 gegenüber beispielsweise Bose ganz gut aufgeholt hat (ohne aber wirklich besser zu sein).

Bezüglich der Sprachqualität bei Anrufen habe ich – trotz besserer Mikrofone und der sogenannten AI Voice Pickup Funktion keine relevanten Fortschritte feststellen können. Dafür gibt es im Transparenzmodus einen Schieberegler, mit dem man die Intensität einstellen kann. Bei höchster Intensität wirken Durchsagen & Co etwa artifiziell. Aber es ist gut gemacht und mit etwas Übung findet jeder die für ihn richtige Intensität.

Der Accentum Plus Wireless

Alles Gesagte gilt auch für den fast zeitgleich erschienenen Accentum Plus Wireless. Das ist ein echter Ohrumschließer, mit dem Sennheiser ganz frisch per Sonderpreis auch deutlich die Marke von 200 Euro unterbietet – für ein Edelmodell mit Noise Cancelling ist das eine Revolution und Kampfansage an die Herren Sony und Bose. Womit die Ecken des Kampfrings abgesteckt wären.

Accentum Plus Wireless Ambiente
Ambitionierter Over Ear Hörer für unter 200 Euro: der Sennheiser Accentum Plus Wireless.Anders als sein Vorgänger hat er für alle Funktionen am Kopfhörer keine Regler mehr, sondern nutzt die Over-Ear-Fläche als Touch-Panel (Foto: Sennheiser)

Wir haben beide Sennheiser getestet. Auf der Gartenliege, im Sportstudio – auf dem Flug nach Dublin. Hörtipp hier: Marianne Faithfull tritt live beim Festival in Montreux auf. Lange her und doch recht frisch: Dank einer Übereinkunft mit dem Label BMG, das in den Schatzkammern der Mitschnitte suchen durfte. Die klingen wie ein geschlossener Konzertabend, stammen aber aus unterschiedlichen Jahren zwischen 1995 und 2009. Bei „Working Class Hero“ dreht sich John Lennon in seinem unbekannten Grab – wie Partymusik aus Disco-Keller. Ansonsten aber viel Atmosphäre, sehr sauber in der räumlichen Abbildung. Ein guter Kopfhörer muss hier Analyse beweisen und dynamische Vielfalt. Mit einer Einheitslautstärke und Show ist hier nichts zu erreichen.

Cover Faithfull Montreux
Eine super Mixture aus ihren vielen Montreaux-Auftritten: Marianne Faithful “Montreaux Years” (Cover: Amazon)

Natürlich ist der Unterschied der beiden neuen Sennheiser bei Tragekomfort und Bauform gewaltig. Obwohl: Der Plus Wireless ist mit 227 Gramm ein Leichtgewicht verglichen mit Konkurrenten, vor allem verglichen mit der Geschichte der Wireless-Kopfhörer der vergangenen fünf Jahre. Der Vorgänger Accentum Wireless liegt in der gleichen Gewichtsliga, ist aber gerade in Sachen Auflösung nicht so agil wie sein Nachfolger – einerseits in der puren Weite der Abbildung, wie eben dem schnellen Wechsel von dynamischen Informationen. Im positiven Wortsinn ist der Plus „impulsiver“.

Fazit Sennheiser Momentum True Wireless 4 & Accentum Plus Wireless

Das scheint der Trend in der klanggenetischen Abstimmung bei Sennheiser zu sein: True Wireless 4 und Accentum Plus sind klar als Kinder mit der gleichen Sound-Signatur zu erkennen. Hell muss es sein, transparent, schnell. Die muffige Dickbass-Show überlässt Sennheiser fast demonstrativ den Konkurrenten. Obwohl: auch bei den neuen Kabellosen gibt es diesen etwas stärker präsenten Bass-Kick. Der ist aber definiert, trocken, ein Tritt an das Schienbein. Rechts von mir hängt ein HD 650 und ein HD 800, beide kabelgebunden – die ohne dieses Kickboxertum auskommen. Aber eben auch eine andere Zielgruppe ansprechen. Stimmt nicht: Wenn ich meinen HD 800 aus der Hand lege und zum Flughafen fahre, dann packe ich fortan den Accentum Plus ein und habe das gleiche, gute Gefühl.

Bewertung

 

 

Feiner, sauberer Klang mit minimal angehobenem Bass
Vier Ohrpassstücke plus drei Ohrfinnen
hohe Akku-Laufzeit von bis zu 30 Stunden, effektives, justierbares ANC
Sprachqualität beim Telefonieren (vor allem bei Wind) eingeschränkt)
Sennheiser
Accentum Plus Wireless
2024/08
Test-Ergebnis: 4,6
ÜBERRAGEND
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.

 

Sauber, geradlinig, sehr natürlicher Klang
Hoher Tragekomfort (227 Gramm)
Effektives, justierbares ANC, lange Batterielaufzeit (50 Stunden)
Günstig

 

Vertrieb:
Sonova Consumer Hearing GmbH
Am Labor 1
DE – 30900 Wedemark
www.sennheiser-hearing.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Beats Solo Buds: 90 Euro
Sennheiser Momentum True Wirelesse 4: 260 Euro

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Die technischen Daten

Sennheiser Momentum True Wireless 4 / Accentum Plus Wireless

Technisches Konzept:In Ear Hörer / Over Ear Hörer
Bestückung (Breitbänder):11 mm / 40 mm
Akku-Laufzeit:7 Stunden mit ANC (bis zu 30 mit Case) / 50 Stunden
Bluetooth:
5.4 kompatibel / 5.4 kompatibel
aktives Noise Cancelling:ja / ja
Codecs (beide):
 aptX, aptX Adaptive/Lossless, AAC,
Gewicht:
6,2 / 227 Gramm
aktueller Preis:
260 / 199 Euro
Alle technischen Daten

 

Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.