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Beats bringt seine neuen Kopfhörer auf den Markt. Wir hatten die Solo Buds (In Ear; Bild) und die On Ear Hörer Solo 4 im Doppeltest (Foto: Beats)

Doppeltest Beats Solo 4 & Solo Buds: Apple-Feeling bezahlbar

Kann Apple auch günstig? Gar billig? Nicht unter eigener Flagge. Aber mit Beats haben die Strategen aus Cupertino eine starke Kopfhörer-Marke im Portfolio, die alles kann und alles darf – sogar mit der Android-Welt anbandeln. Zwei neue Kopfhörer untergraben alle Preise und Brandmauern: der Doppeltest Beats Solo 4 & Solo Buds.

3,2 Milliarden Dollar – die hat man nicht mal so eben als Aktiva auf dem Konto. Außer man heißt Apple und ist das wertvollste Unternehmen der Welt. Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren gab der Computer-Gigant diese Summe für einen Hersteller von Kopfhörern aus. Selbst die Branchenkenner rieben sich verwundert die Augen – ist das nicht etwas übertrieben? Es geht um Beats Electronics LLC, gegründet vom Rapper Dr. Dre. Ein seltsamer Deal – aus damaliger Sicht. Heute klopfen die Börsen-Analysten Apple auf die Schulter – gut gemacht.

Faktisch über Nacht war Apple im Besitz einer Kultmarke, die vorrangig die Jugend ansprach. Mehr noch: Apple hatte sich das Know-how der Kopfhörer-Fertigung im Handstreich und mit viel Geld erobert. Sicherlich steckt einiges an Fachwissen in den AirPods, den In-Ohr-Hörern und den großen Ohrumschließern AirPods Max. Doch wie die Marke Beats schärfen und abgrenzen gegenüber dem Mutterkonzern? Manch andere Firmenchefs hätten die Marke komplett einverleibt und unter dem Apfel-Logo segeln lassen. Doch Apple spielt doppelt: die AirPods als Edelstücke, die Beats für die Einsteiger. Die Strategie ist erkennbar: Beats lanciert den neuen Ohrauflieger Solo 4 und die In-Ears Solo Buds.

Was können Beats Solo 4 & Solo Buds?

Zunächst einmal: Die Preise sind erstaunlich niedrig. Lediglich 89,95 Euro ruft Beats im hauseigenen Store auf. Die AirPods-Familie startet bei 150 Euro und schießt die Pro-Version mit 280 Euro ins Weltall. Aber siehe da: Auch Apple listet die neuen Beats im eigenen Webstore. Man muss etwas suchen, stößt aber auf die gleichen Preise wie bei Beats selbst.

Also der komplette Gegenentwurf einer Feindschaft. Aber noch immer mit klarer Trennung. Die ist in der ersten Wahrnehmung vordergründig ästhetisch. Die Apple In-Ears gibt es in Weiß, Weiß oder Weiß. Beats hingegen treibt es vierfarbig bunt – schwarz, ein feines „Sturmgrau“, aber auch ein knalliges „Polarviolett“ und ein transparentes Rot sind im Portfolio.

Beats Solo 4 Farben
Beats kann auch bunt: Schwarz, „Sturmgrau“, „Polarviolett“ und (nicht im Bild) „Transparent Rot“ (Foto: Beats)

Also wird wieder einmal eine jüngere Zielgruppe angesprochen? Nein, so einfach ist das Spiel von Marketing, Branding und nicht zuletzt Klangsignatur nicht. Apple wirft sehr geschickt einen Anker in den Garten der Konkurrenz, in die Welt der Android-Smartphones. Denn mit den neuen Beats-Modellen kann man den Spagat wagen, den Wechsel, das Spiel auf zwei Seiten – ohne das Markenimage zu beschädigen.

Ok, natürlich spielt Apple beim Koppeln seine Macht aus. Google Fast Pair gelingt, ebenso die Verknüpfung mit dem Google-Konto und allen Chrome-Komponenten. Noch einen Takt edler gelingt der Kontakt zu iOS. Die Cloud wird eingebunden, die Familie ebenso. Nahtlos kann ich zwischen allen Apple-Produkten wechseln. Eigentlich keine weltbewegenden Unterschiede. In vielen Punkten besteht für einen Apple-Nutzer kaum, bis kein Unterschied, ob ich den Sound über die Apple-Klangwandler oder die neuen Beats zuspiele. Apple stellt dem brüderlichen Trittbrettfahrer faktisch eine Fahrkarte aus.

Mit der Einladung in die erste Klasse? So weit geht die Liebe nun auch wieder nicht. Es gibt Grenzen und Unterschiede. So können die beiden neuen Beats Vieles nicht – eine bewusste Entscheidung zur Reduzierung und zum günstigen Preis. So wird auf ANC verzichtet, kein aktives Unterdrücken von Umweltgeräuschen. Aber immerhin verweist Beats beim Solo 4 darauf, dass die passive Isolierung von der Außenwelt überaus gelungen ist – was tatsächlich stimmt. Also kein Chip? Doch, überraschenderweise hat der On Ear Hörer 3D-Audio integriert. Mit dynamischem Headtracking – also ein „immersives“ Erlebnis über eingebaute Gyroskope. Glaubt man den Analysten und so klangaffinen Musikern wie Steven Wilson, dann ist das die Klangzukunft. Bei Kopfhörern in dieser Preisklasse jedenfalls ein starkes Merkmal.

Beats solo 4 Einrichtung
Das hebt den Solo 4 weit aus der Masse heraus: Auch 3D Audio ist möglich (Screenshot: A. Günther)

Auf der Habenseite des neuen Beats Solo 4 steht auch die Option, dass wir die Klang-limitierende Bluetooth-Welt hinter uns lassen können. Wenn man über USB-C oder ein klassisches 3,5er-Klinkenkabel hineingeht, ist sogar Lossless möglich. Was klanglich echte Vorteile bietet, hat auch einen praktischen Vorteil hat: Der Solo 4 verbraucht und braucht dann keinen Strom. Wobei dieser Fakt nett, aber vernachlässigenswert ist. Beats verspricht stolze 50 Stunden an Akkulaufzeit – alles natürlich abhängig von unserem Nutzerverhalten, beispielsweise wie oft wir auf die Mikrofone bei Telefongesprächen zugreifen. Wenn wir über USB-C gehen, übernimmt die Wandlung der interne DAC des Solo 4.

Beats Solo 4 Explosion
Bis zu 50 Stunden soll der Akku in den neuen Beats Solo 4 durchhalten. Der Vorgänger kam auf „nur“ 40 Stunden (Grafik: Beats)

Was klingt am besten? Die Verbindung über Klinke, wenn der Player hochwertig ist. Ich oute mich hier als Fan des HiRes Mobilplayers Cayin N3, aktuell auf die „Ultra“-Version verbessert kostet der 600 Euro. Ist das, mit Verlaub, nicht ein wenig mit Kanonen auf Spatzen geschossen?

Nein, der Solo 4 konnte mit der Feinauflösung der Cayin-Röhrenstufe umgehen; das hatte per Kabel deutlich mehr Samt als der Kontakt via Bluetooth. Liegt es an der Wandler-Membran? Die fällt mit 40 Millimetern recht groß aus, sorgt aber auch für hohe Ausgewogenheit und eine superbe Dynamik.

Erfreulich ist auch das gute Tragegefühl des mit rund 200 Gramm vergleichsweise leichten Hörers. Ja, hier ist viel Kunststoff im Spiel, der ist aber qualitativ hoch und stabil. Die Polster sind bequem, ebenso der Bügel. Kann man auch im Sportstudio nutzen oder auf langen Reisen. Ach – und Beats will auch nachhaltig sein: Die Verpackung besteht aus Fasern der nachhaltigen Forstwirtschaft. Fesch und ein Auspackerlebnis, das Beats ganz offensichtlich von Apple gelernt hat.

Beats Solo Buds

Die Buds entfernen sich deutlich weiter vom Apple-Look-and-Feel. Kunststoff-Korpus, Kunststoff-Hülle. Dazu ein scheinbares Manko: Die Aufbewahrungsbox ist nichts anderes als eben eine Aufbewahrungsbox – sie kann die In-Ears nicht per Akku aufladen, wie bei den meisten Anbietern Pflicht.

Da hat jemand den Rotstift angesetzt. Das aber sehr schlau. Beats spart sich Bauteile, Fertigungskapazität – aber der Kunde muss nicht jammern. Denn voll aufgeladen beträgt die Batterielaufzeit der Solo Buds 18 Stunden. Ausreichend, um mit dem Flieger von München nach Perth (Australien) zu gelangen. Wer unbedingt mehr Saft braucht, der erreicht in fünf Minuten an der USB-Steckdose bis zu einer weiteren Stunde an Wiedergabezeit.

Hightech ohne aktives Noise-Cancelling: ein Solo Bud in seinen Einzelteilen  (Grafik: Beats)

Ein Wunder? Nein, denn die Solo Buds können ebenfalls kein Noise Cancelling – was ja Energie fressen würde. Also eher ein Trabbi unter den In-Ears? Wieder ein Nein. Die No-Show hat auch eine Zielgruppe. Wieder paritätisch verteilt für die Apple- wie die Android-Nutzer. Die schnell über einen Klick koppeln und in beiden Welten die Solo Buds auch in der „Wo ist?“-Funktion orten können. Nebeneffekt: Das Case ist klein, sehr klein – auch dies ein Merkmal für die Fangemeinschaft. Das USB-Ladegerät gibt es nicht im Lieferumfang, noch nicht einmal ein USB-C-Kabel. Warum auch – wahrscheinlich liegen in vielen modernen Haushalten einige davon herum. Kann man als Geiz abtun oder als Sensibilität gegenüber der Umwelt.

Klanglich spart Beats nicht. Es gibt vier Ohrpassstücke, eine doppellagige Membran und einen Klangeindruck, der sich stark von den Apple-Modellen entfernt, aber sich stark am Solo 4 orientiert. Man hört die Familie. Während Apple den Bass mit Wumms und mitunter einer gewissen Dicklichkeit ausstellt, wirken die neuen Beats geradliniger. Das ist kein Zufall, sondern eine klar inszenierte Klangsignatur. Sportiv fast, mit hoher Dynamikbereitschaft vor allem in den Mitten. Nehmen wir doch das neue Album von Steven Wilson. „The Harmony Codex“ kann brachial böse sein im Tiefbass. Kontrolle ist der Schlüssel, jedes Fettpolster wäre ein Informationsfresser. Die beiden Beats liegen hier auf einer Familien-Linie und setzen auf smarte Spielfreude. Steven Wilson hat ein Buch mit dem passenden Namen dazu geschrieben: „How to Succeed in the Music Industry Without Being Part of the Mainstream“.

„The Harmony Codex“
Steven Wilson mit seinem Klasse-Album „The Harmony Codex“ erscheint bei Virgin als CD oder Doppel-LP sowie als Blu-ray (HiRes-Stereo, 5.1, Dolby Atmos) sowie als Stream oder Download

Wüssten wir es nicht besser, könnten wir die beiden Beats auch für ein Produkt von der britischen Insel halten, mit dem Segen der BBC. Die Melomania M100 von Cambridge Audio ticken als In-Ears ähnlich – aber mit aktiver Geräuschunterdrückung und für einen doppelt so hohen Preis wie die neuen Solo Buds. Was die Jugend eher ausgrenzt, trotz Angeboten und Werbeaktionen (Nebenbei zu Werbeangeboten: Apple und Beats liefern nicht nur die Kopfhörer, sondern auch ein dreimonatiges Probeabo für Apple Music – Rattenfänger der Moderne).

Jetzt aber nicht wieder zum Schnellschuss neigen: Aha, Beats spricht nur die Youngster an, während ich schon die grauen Haare zählen muss. Das wäre zu kurz gedacht; man könnte sich selbst genau per Vorurteil jenes Wunsch-Kopfhörers berauben, den man schon immer haben wollte – reduziert auf Kernwerte, sehr ehrlich in einer eigenen Klangsignatur und überaus erschwinglich. Manche Menschen gehen auch in Adidas-Sneakern zu einem Sektempfang.

Fazit Beats Solo 4 & Solo Buds

Alles über Bord, was nicht unbedingt zum guten Klang beiträgt. Solo 4 und die Solo Buds sind etwas für Menschen, die hinter dem Verzicht keine Strafe, sondern eher eine Chance sehen. Der Höreindruck ist auf Klarheit ausgelegt, ohne karg zu sein, vor allem gibt es nicht die häufig fette Sound-Show mit XXL-Hyper-Bass. Alles kommt punktgenau, spielfreudig, ohne die Analyse über den Wohlfühlfaktor zu stellen. Und: Nicht von den poppigen Farben täuschen lassen, sie sind kein Gegenargument für die Klangkompetenz. Beide Modelle tragen sich leicht, angenehm über lange Zeit. Vor allem der Spagat zwischen der Apple- und der Android-Welt hat enormen Reiz. Das ist – Sony hin, Bose her, Samsung und Co. noch hinzu – ohne Vergleich und ohne Konkurrenz.

Bewertung
in-akustik LS 2405 Bewertung

 

 

Sauber, geradlinig im Klang, angenehm frei vom üblichen Show-Bass
Cleverer Brückenschlag zwischen Apple- und Android-Nutzern
Leicht, passgenau, stressfreies Tragen über Stunden, 18 Stunden Wiedergabezeit
Kein Akku im Case

 

Beats Solo 4
2024/07
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.

 

Sauber, geradlinig im Klang, angenehm frei von zu dicken Bässen
Personalisiertes 3D-Audio und Headtracking
Leicht, passgenau, stressfreies Tragen über Stunden (217 Gramm)
Kein aktives Noise Cancelling

Vertrieb:
www.apple.com/de
www.beatsbydre.com/de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Beats Solo Buds: 90 Euro
Beats Solo 4: 230 Euro

Mit- und Gegenspieler:

Test Mobil-Player Cayin N3 Pro: HiRes-Taschenspieler mit Röhrensound

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Die technischen Daten

Beats Solo 4 & Solo Buds
Technisches Konzept:On Ear Hörer / In Ear Hörer
Bestückung (Breitbänder):40 mm / 11 mm
kompatibel mit Android / iOS
beide / beide
Akku-Laufzeit:bis zu 50 / 18 Stunden
Headset-Funktion:
ja / ja
aktives Noise Cancelling:nein / nein
Besonderheit:
 Chip für 3D-Klang eingebaut / –
Gewicht:
217 Gramm / k.A.
Alle technischen Daten

 

Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.