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Element Of Crime Live
Element Of Crime hat eine Art "Best Of LIve" aufgenommen und sich dabei von Charly Hübner filmen lassen. Es ist eines von 4 Top-Empfehlungen aus dem musikalischen September 2024 (Foto: Vertigo)

Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des Monats September 2024

Der September war musikalisch ein toller Monat. Freuen Sie sich auf die vier musikalischen Highlights des Monats August 2024, die die Musik-Redaktion als ganz besonders empfehlenswert herausgefiltert hat. Als da wären:

1.) London Grammar entfachen mit ihrem vierten Album „The Greatest Love“ – dank der magischen Contralto-Stimme von Sängerin Hannah Reid ein souveränes Happening im Stilgarten zwischen Breakbeat, Dreampop und TripHop.

2.) Andreas Vollenweider, Schweizer Star-Harfenist, nahm audiophile Musikfreunde bereits Anfang der 80er Jahre mit seinem Debüt „Behind The Gardens …“ auf eine betörende Musikreise. Nun strömt uns ein Archivschatz aus dieser Zeit entgegen: „Live At Rockpalast“ wirkt wie ein nostalgischer Traum, der die alten Zeiten von einst live wieder aufleben lässt.

3.) Ayo schrieb mit ihrem Album „Mami Vata“ einen sinnlichen Soundtrack für „Mutter Meer“ – ein folkig-souliges Unterfangen der deutschen Singer-Songwriterin mit Wahl-Wohnsitz Tahiti in der Südsee.

4.) Element of Crime und Schauspieler Charly Hübner drehen gemeinsam ein Ding: „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ – unter der Regie von Hübner bespielen Sven Regener & Co verschiedene Berliner Bühnen für einen Film. Und liefern selbst den mitreißenden klingenden Soundtrack dazu.

Die musikalischen Highlights des Monats September 2024

Nottingham in den englischen East Midlands ist bekannt geworden durch Robin Hood und den nahen Sherwood Forest – aber auch durch London Grammar. Das Trio mit Sängerin Hannah Reid, Gitarrist Dan Rothman und Multi-Instrumentalist Dot Major beschenkt die Freunde von Dream-Pop und Triphop bereits seit über einer Dekade mit bester Musik. Bereits Anfang dieses Jahres hatten wir das Trio auf dem Schirm mit einem hinreißenden Konzert im Netz. Drei Millionen Alben, eine Milliarde Streams und diverse Award-Nominierungen pflastern bislang ihren Weg zum verdienten Ruhm. Nun Album Nummer Vier, wiederum nicht abgehoben, sondern ein Stück weit musikalisch evolutioniert.

London Grammar „The Greatest Love“ Cover
London Grammar „The Greatest Love“ erscheint in diversen Formaten bei Columbia/ Sony als CD, LP sowie Box-Set-Editions oder als Stream oder Download, zum Beispiel bei qobuz.com

Fantastisch beispielsweise der Song „House“, der an die Zeiten von Brit-Größen wie Everything But The Girl, Massive Attack oder Morcheeba erinnert – will heißen: TripHop, Dream-Britpop, Breakbeat … „Dies ist mein Platz, mein Haus, meine Regeln …“. Hannah Reid sagt dazu: „Es geht darum, Grenzen um sich selbst zu ziehen…“ Die waren für die bekannter Maßen eher schüchterne Sängerin jenseits der 30 wohl überfällig. Dem Sound folgt das gesamte Album mehr oder weniger, hinterlässt emotionale Blaupausen für Tagträumereien oder rüttelt auf. Schön zudem: Das Klangbild besticht mit feiner Auflösung, toller Homogenität, Farbechtheit und Tieftondruck.

 

Zum Appetitmachen das Video zu „House“

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Andeas Vollenweider gilt audiophilen Musikfreunden als guter Alter Bekannter. Zuletzt schuf der Schweizer Star-Harfenist mit „Quiet Places“ ein filigran besaitetes Werk. Doch nun das: Die unendlichen Archive der Kultsendung Rockpalast öffnen sich für ein nostalgisches Highlight – ein Live-Konzert vom 29. August 1982. Da wäre der Autor dieser Zeilen als früher Fan des Saiten-Springers und AUDIO-Leser sehr gerne dabei gewesen, weilte aber mit Interrail-Ticket in der Schmuddel-Jeans in Portugal. Insofern rührt mich die späte Veröffentlichung persönlich an – ohne dass die Objektivität leiden sollte, versteht sich.

Mystischer Schauplatz des Konzerts, das Vollenweider mit seinen „Friends“ Walter Kaiser (Drums, Percussion) und Pedro Haldemann (Percussion) inszenierte, war das Open-Air-Forum des Loreley-Felsens am Rhein – nicht die ansonsten gerne die vom Rockpalast gewählte Gruga-Halle in Essen. Das passt, denn Lore Lay aus der Ballade von Clemens Brentano gilt als Zauberin. Und an diesem Sommerabend erleben wir in Ton und Bild in der Tat beinahe tranceartig verzauberte Besucher, die dem betörenden Klang der flott und flink gezupften Harfe scheinbar willenlos folgen. Und gewitzte Einlagen mit Rhythmus-Klatschern auf den nackten Bäuchen von Walter Kaiser und Pedro Haldemann schmunzelnd begrüßen.

Andreas Vollenweider „Live At Rockpalast“
Andreas Vollenweider mit „Live At Rockpalast“ erscheint bei AVAF CD-/DVD-Set oder LP

Die Aura der Harfe kommt vielleicht nicht von ungefähr, sie zählt ja als imposantes Instrument zu den ältesten auf dem Planeten, lässt die Saitenebene senkrecht zur Resonanzdecke verlaufen. Vor rund 5000 Jahren in Mesopotamien oder Ägypten. Andreas Vollenweider debütierte mit dem Teil bravourös 1981 auf dem Montreux Jazz Festival, in Highend-Kreisen wurde er nicht zuletzt durch die Aufmerksamkeit der HiFi-Zeitschriften AUDIO und stereoplay Publikumsliebling. 15 Millionen Tonträger hat der Züricher verkauft, live eroberte er Venues wie die Carnegie Hall in New York, die Town Hall in Sydney. Oder früh den Loreley-Felsen…

 

Ist es deshalb ein Schwarm-Album? Sagen wir so: Alte Hasen hüpfen vor Freude zu den Lautsprechern, denn einerseits klingt die Show gemessen am Alter von rund 40 Jahren erstaunlich frisch – fein durchgezeichnet, plastisch und atmosphärisch. Zum anderen legen Andreas Vollenweider und seine beiden Mitstreiter ein zeitloses abendfüllendes Konzert hin. Das CD-/DVD-Package hält beides parat: tollen Sound und passable Optik.

Der aktuelle Video-Trailer:

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Ayo vereint und durchdringt als weit gereiste Kosmopolitin eine große Musikvielfalt. Die 44-jährige Sängerin, Gitarristin und Pianistin (sie hat einen Steinway von 1934) mit nigerianischen Wurzeln erblickte bei Köln das Licht der Welt, verbrachte jedoch einen Großteil ihrer Lebenszeit in London, Paris, New York und Portugal. Zu Trump-Zeiten verließ sie die USA. „Mir wurden die Papiere für meine jüngste Tochter verweigert. Also verließ ich Brooklyn und zog in die Nähe von Lissabon.“ Ist das wichtig? Schon, denn die Orte und Menschen unterschiedlicher Kulturen prägen Ayos Lyrik und Musik. Chanson, Soul, Jazz, Fado, Folk, Lied gehen auf ihrem siebten Album eine schillernde Liaison ein, getragen von ihrem dezent souligen Stimmtimbre.

Vor rund drei Jahren schlug Joy Olasunmibo Ogunmakin alias Ayo ihre Zelte in Französisch-Polynesien auf. Tahiti als Eiland in der Sonne, umspült vom Stillen Ozean, was schon viele Künstler zu Höhenflügen animierte. Es ist daher wohl kein Zufall, dass die Songs ihres neuen Albums das Schillern von Wellen, Blütenpracht und üppige Vegetation auf ihre Weise in einen samtenen Traum verwandeln wollen. Selbstreflexion, geistige Freiheit, innerer Frieden stehen auf der anderen Seite – „Mami Wata“ gilt als Götting des Meeres in der nigerianischen Yoruba-Religion.

Ayo „Mami Vata“ Cover
Ayo „Mami Vata“ erscheint bei Wagram/ 3me Bureau als CD, Doppel-LP sowie als Stream oder Download, zum Beispiel bei qobuz.com (https://tidd.ly/3Bbb34H)

Ihre musikalischen Begleiter: Der 40-jährige Pianist Gael Rakotondrabe, der als junger Musiker beim Montreux Jazz Festival 2008 den ersten Preis beim Klavierwettbewerb einheimste. Oder der geschätzte 42-jährige Pianist Vincent Bidal, im Team mit dem 65-jährigen Musiker und Produzenten Freddy Koella (Willy Deville, K.D. Lang, Bob Dylan).

 

Und so schweben Songs wie „Stay With Me“ federleicht über die imaginäre Lagune „La Baie In Papeeno“ an der Ostküste Tahitis mit seinen schwarzen Strandkieseln mit Kokospalmen in Sichtweite. Während Stücke wie „Woman“ und „Love Song“ die Rechte von Frauen weltweit thematisieren, so die Verhaftung der 22-jährigen iranischen Studentin Mahsa Amini wegen nicht angemessenen Tragens eines Kopftuchs. Schön und überraschend: Die Neuvertonung des anrührenden deutschen Liedes von Bettina Wegner: „Kinder“.

Videoclip: „Money Love“

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Element Of Crime knipsen mit „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ die Bühnenlampen an: Schauspieler Charly Hübner hat einen Film über die musikalisch augenzwinkernd zwielichtigen Machenschaften von Sven Regener & Band gedreht. Erfahrung hat der Ex-Rostock-TV-Kommissar genug mit krimineller Energie. Nun kam eins zum anderen.

Es war ja auch beinahe abzusehen und greifbar: Schauspieler Charly Hübner und die Berliner Band um Sven Regener pflegen schon länger freundschaftlichen Umgang – man kennt sich, man schätzt sich (siehe Online-Talkrunde) – und nun hat man eben im wahrsten Wortsinn gemeinsam ein gemeinsames Ding gedreht.

Aber warum? Der Fall dieser Komplizenschaft verlangt nach schonungsloser Aufklärung: Ossi Charly liebte den Sound von EOC von Anfang an – obwohl der sympathische Schauspieler ansonsten auf Heavy Metal steht. In seiner einstigen Heimat Mecklenburg hörte er in seiner Jugendclique Musik aus dem Westen – eben auch, natürlich illegal, Element Of Crime. Sven & Co haben Charly einfach gefragt, ob er einen Film über sie machen wolle. Zugriff! Die Zusage kam reflexhaft.

Die Idee: Lieblings-Songs auf verschiedenen Berliner Bühnen live zu spielen, Charly plus Kamerateam dabei. Also hören wie 40 Jahre Bandgeschichte, deren Anfänge im Berlin des Kalten Krieges Mitte der 80er englischsprachig mit den beiden ersten Alben „Basically Sad“ und „Try To Be Mensch“ wurzeln. Letzteres hat kein Geringerer als John Cale, seines Zeichens Gründungsmitglied von Velvet Underground, produziert. Das Album klingt nach wie vor herrlich verwundbar und trifft gleichzeitig ironisch-bissig ins Schwarze der Gesellschaft. Dann fing Sven an, Deutsch zu singen: Das herausragende Album von 1991 „Damals Hinterm Mond“, wurde mit einem Goldenen Ohr von AUDIO ausgezeichnet. Ab da sollte sich diese herrliche Jazz-Chanson-Melancholie voll sagenhafter Lyrik ihren Weg bahnen.

Element Of Crime „Wenn Es Dunkel Und Kalt Wird In Berlin“
Element Of Crime „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ erscheint bei Vertigo Berlin als CD, Doppel-LP sowie als Stream oder Download, z.B. auf qobuz.de

Und nun die Highlights live. Der Klassiker „Weißes Papier“ tönt aus der „Zitadelle“ in Berlin-hinreißend, das Live-Open-Air-Raumambiente in Spandau zählt bei Vollbelegung draußen 600 Gäste. Der „Admiralspalast“, der die „Goldenen Zwanziger“, die Kaiserzeit und den Wiederaufbau Ost im Haus an der Friedrichstraße erlebt hat, bitet drinnen rund 1.700 Besuchern Platz. Zu DDR-Zeiten tauften die SEDler das Gebäude im Art-Déco-Stil in „Metropol-Theater im Admiralspalast“ um. Und so reiht „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ einen tollen Spiel-Ort an den anderen. Der gut eingefangene Klang nuanciert die unterschiedlichen Venues teilweise, stets fein aufgelöst, klangfarbgenstark, druckvoll und mit toller Atmo. Instrumente und Svens rauchzarte Stimme kommen beeindruckend klar rüber. Kompliment an die Live-Tontechnik. Der Film läuft ab Anfang Oktober im Kino.

Element Of Crime
„Wenn Es Dunkel Und Kalt Wird In Berlin“
2023/09
Test-Ergebnis: 4,1
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Video „Immer Nur Geliebt“

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Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.