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Rega NAIA Ensemble
Der Rega NAIA ist der Inbegriff des Masse-armen Super-Laufwerks – er wiegt nur knap über 4 Kilo. Der Preis für diese Technologie wiegt dagegen schwerer: 12.500 Euro (Foto: Rega)

Test Plattenspieler Rega NAIA: der Referenz-Rega

Am Rega NAIA ist nichts „naja“, sondern alles vom Feinsten: Es ist der teuerste Plattenspieler, den man je von Rega kaufen konnte. Beispiellos aufwändig, und dennoch streng gemäß der hauseigenen Konstruktionslehre, stößt der Naia klanglich in eine überraschende Richtung vor.

NAIA: Hinter dem Namen steckt eine Geschichte, hinter dem Spieler ein Entstehungsprozess, der vor über zehn Jahren begann. Bei einer Veranstaltung meines damaligen Verlags im Münchner Augustiner Keller war auch Roy Gandy zugegen, der mir im Verlauf des Abends und einiger Maß Edelstoff – der dort, im Keller, direkt aus dem Holzfass gezapft, herrlich rund schmeckt – Erstaunliches erzählte. Erstaunliches, das sich aber noch nicht so richtig zu einem konkreten Produkt verdichten wollte. Rega wollte ein Tellerlager komplett – also Welle und Buchse – aus Aluminiumoxid-Keramik fertigen lassen, einem nahezu diamantharten Material, das nicht verschleißt und ultraenge Toleranzen erlaubt. Für Plattenspieler ein Traumwerkstoff.

Analog-Legenden: Bernhard Rietschel, Roy Gandy, Heinz Lichtenegger
Der Autor (links) mit Roy Gandy (Mitte) und dem österreichischen Analog-Papst Heinz Lichtenegger (Foto: H. Biermann)

Nur bauen wollte das Lager niemand, egal zu welchem Preis. Lagerwellen aus Keramik sind vergleichsweise leicht zu bekommen. Aber für eine einteilige Keramikbuchse mit absolut planem Boden gab es in den benötigten Dimensionen schlicht keinen Präzedenzfall. Das war beim inzwischen millionenfach gefertigten Rega-Tonarmrohr freilich auch kein Hindernis: Vor 40 Jahren galt das als nicht gießbar. Bis Gandy mit einer lokalen Gießerei eine neue Gusstechnik ausheckte, die das lange, dünnwandige Rohr samt integriertem Headshell wie gewünscht hervorbrachte.

Auch bei den Lagern zahlte sich die Hartnäckigkeit schließlich aus – beziehungsweise sie kostete richtig Geld, weil Hightech-Betriebe nur gegen großzügige Bezahlung mikrometergenaue Löcher in kinderfaustgroße Keramikzylinder zaubern. Nochmals um den Faktor zehn stieg der Obulus, als die Briten statt Aluminiumoxid das noch dichtere Zirkondioxid bestellten. Eine Serienfertigung damit war undenkbar – nicht nur wegen des Preises, sondern weil sich die Teile nicht schnell genug fertigen ließen. 50 Zirkonlager trafen schließlich nach und nach in Southend-On-Sea ein, wo jedes mit einem Kohlefaser-Monocoque mit Rohacell-Kern, einem Keramikteller und anderen exotischen Bauteilen vermählt wurde. So entstand der Überspieler NAIAD. Genau 50 Stück davon. Auf der Preisliste und in normalen Vertriebskanälen ist dieses Analog-Phantom nie aufgetaucht. Man bettelte direkt oder indirekt darum, einen zu bekommen, und wenn man Glück hatte, durfte man Monate später und 30.000 Pfund ärmer ein großes Paket aus England in Empfang nehmen. Nach einem Testgerät brauchte ich also gar nicht erst zu fragen. Der einzige NAIAD, den ich je gehört habe, ist vermutlich der erste, der fertig wurde. Und der steht im Wohnzimmer chez Roy. Beziehungsweise er hängt, auf einer Kohlefaser-Wandhalterung, die fester Bestandteil des Spielers ist.

Rega NAIAD
Der NAIAD ist in Bezug auf Plattenspieler bei Rega das Maß der Dinge: ein Leichtgewichts-Kunstwerk für 30.000 Pfund (Foto: Rega)

Schon frustrierend: Da bekommt man Bauteil für Bauteil, Jahr für Jahr mit, wie in Southend-On-Sea etwas Einzigartiges entsteht. Und als es dann fertig ist, ist es auch gleich wieder verschwunden. Oder eben doch nicht ganz: Im neuen NAIA steckt nicht nur namentlich, sondern auch technisch der Geist des NAIAD. Und … großes UND … jede Musikgenießerin und jeder HiFi-Fan kann ihn kaufen, sofern er/sie einen kleinen fünfstelligen Eurobetrag übrighat. Dafür gibt’s erwartungsgemäß keine zentnerschwere Analog-Bohrinsel. Aber dafür einen Spieler, der nahezu exakt die Performance des NAIAD liefert und nicht mal die Hälfte kostet. Wer für viel Geld auch viel sichtbares Material, viel Bling-Bling, viel demonstrativen Aufwand erwartet, wird sicher bei anderen Marken glücklicher. Der NAIA ist ein analoges Kunstwerk, das umso schöner wird, je länger und genauer man es betrachtet. Auf den ersten Blick könnte man den Spieler für einen Planar 10 halten, der für sich genommen ein überragendes Laufwerk ist, mit dem man problemlos alt werden kann. Doch dann stellt man peu à peu fest, wie wenig die beiden Spieler in Wirklichkeit gemeinsam haben. Bietet bereits der Zehner eine Menagerie „interessanter“ Werkstoffe und Fertigungsverfahren, ist der NAIA eine wahre Tour de Force: Alles ist anders, oft dramatisch aufwändiger und noch schwerer zu beschaffen. Dass das nötige Budget sich dabei nur verdoppelt hat, ist fast überraschend. Zumal der Preis im Umfeld anderer Weltklassespieler fast noch bescheiden wirkt: Ein großer LP12 kostet inzwischen das Doppelte, bei SME kann ein Dreher schon ohne System leicht das Dreifache kosten.

Die Besonderheiten des Rega NAIA

Bei meinem letzten Besuch bei Rega befand sich der NAIA noch namenlos im Prototypenstadium, wurde uns weder gezeigt noch sonstwie angekündigt. Was Roy Gandy aber nicht davon abhielt, aus irgendwelchen geheimen Werks-Separées Bauteile zu holen und sie mir in die Hand zu drücken. „Hier, dreh mal dran. Das ist jetzt noch ohne Öl!“: Da ging es zum Beispiel um eine minimal vereinfachte Version jenes sagenumwobenen, „unmöglichen“ Lagers, auf dem sich der Teller des Naiad dreht. Das Naia-Teil besteht jetzt nicht mehr aus reinem Zirkonoxid, sondern aus ZTA, Zirconia Toughened Alumina. Diese Mischkeramik aus Zirkon- und Aluminiumoxid bietet die extreme Härte des letzteren, kombiniert mit deutlich höherer Biegefestigkeit und Bruchzähigkeit. Wünschenswerte Eigenschaften für ein Lager, dessen Welle ja auch mal einen Stoß aushalten muss. Normaler Verschleiß ist ohnehin kein Thema: Man kann den Spieler vermutlich 24/7 durchlaufen lassen, ohne je die lebenslange Garantie in Anspruch nehmen zu müssen, die Rega auf alle Spieler gibt.

Rega NAIA Lagerbuchse
Von unten bekommt man einen Plattenspieler normalerweise nur selten zu sehen. Hier lugt in der Bildmitte das ZTA-Tellerlager samt Befestigungsgewinden durch die untere Keramikstrebe. Darunter schiebt sich das gefräste Motorgehäuse ins Bild (Foto: Rega)

Welle und Buchse kommen vom deutschen Zulieferer als festes, aufeinander eingeschliffenes Paar. Auf die Keramikachse setzt Rega einen spektakulär schönen, skelettierten Alu-Innenteller, der sich aus der runden Nabe heraus sechseckig verbreitert. An jedem Eck hat die Fräse eine kleine Erhebung stehen gelassen, wie die – ganz zart angedeuteten – Zacken einer Krone. Und auf diesen sechs Nahezu-Punkten ruht der Teller. Jedenfalls tut er das, wenn man es geschafft hat, ihn mit seinem circa 5 cm messenden Mittelausschnitt über die Mittelnabe gleiten zu lassen. Die Passung ist eng und der Teller sitzt darauf gleichermaßen spiel- wie spannungsfrei.

Der Teller besteht aus Aluminiumoxid, das tagelang bei vierstelligen Temperaturen gebrannt wird und sich dabei unter deutlicher Schrumpfung zu synthetischem Korund verdichtet. Das Material ist überraschend schwer und schneeweiß, je nach Lichteinfall kann es auch ganz zart glitzern. Nach dem Glühen wird es auf seine endgültigen Dimensionen abgedreht: Oben ist der Teller absolut plan, die Unterseite beschreibt eine Kurve, deren Steigung zum Rand hin zunimmt. Das leuchtet ein, weil so aus der Gesamtmasse von 2,6 Kilo ein größtmögliches Trägheitsmoment resultiert, man aber abrupte Stufen im Material vermeidet. Im Vergleich zum Keramik-Rundling des P10 ist der Naia-Teller am Rand 20 Prozent dicker, aber nur 4 Prozent schwerer. Hängt man sich einen nach dem anderen über den Finger und klopft mit dem Knöchel feste dagegen, stellt man fest, dass diese Teller nicht akustisch tot/resonanzfrei sind, sondern wie Glocken mit einem lupenreinen „Ping“ lange ausklingen.

Rega NAIA von vorn
Der schneeweiße Plattenteller aus Aluminiumoxid dominiert das Design des filigranen NAIA (Foto: Rega)

Nichts gegen den Planar 10: Vergleichbare Qualität und Kompromisslosigkeit ist nirgends so leicht zugänglich, so unkompliziert und bezahlbar wie bei diesem Spieler, vor allem in Kombination mit seinem symbiotischen Systempartner Apheta 3. Sein Teller wird wie der des Naia mit Diamantwerkzeug gefinisht. Das ist nur unwesentlich härter als der Korund und verschleißt entsprechend schnell. Hinzu kommen immense Energiekosten, der große Faktor Zeit und die Tatsache, dass all dies bei einem hochspezialisierten deutschen Zulieferer passiert. Kein Wunder also, dass Zehner- und erst recht der Naia-Teller extrem teuere Bauteile sind, die den Gesamtpreis der Spieler bei eingehender Betrachtung eher knapp kalkuliert wirken lassen. Sogar den des NAIA, der ja nicht nur einen tollen Teller hat, sondern auch ein hochexklusives Lager dafür, einen fantastischen Tonarm – und ein spektakuläres Chassis. Dort taucht Aluminiumoxid zum dritten und letzten Mal auf, in Form zweier gelochter Streben, die die entscheidende Verbindung zwischen Teller- und Tonarmlager zusätzlich versteifen.

An einem Plattenspieler soll sich nichts bewegen, mit Ausnahme der rotierenden Platte und der Abtastnadel – auch nicht im mikroskopischen Maßstab. Rega-Spieler sollen zugleich aber auch möglichst wenig Schwingungsenergie speichern können. Woraus sich ganz logisch die Forderung nach extrem steifen, dabei massearmen Strukturen ergibt. Rega folgt dieser einfachen Formel praktisch seit seiner Gründung mit radikaler Gründlichkeit. Was uns HiFi-Klassiker wie die supersteifen, leichten Rega-Arme mit ihren einteilig gegossenen Rohren beschert hat, und Laufwerke, die schon ganz zu Anfang selten aus mehr als einer dünnen Faserplatte bestanden. Die, wenn es das Budget erlaubte, intern auch noch ausgefräst wurde, um jegliche parasitären Massen von vornherein über Bord zu werfen.

Der NAIA stellt den vorläufigen Endpunkt dieser Entwicklung dar, die sich längst von Holz als Chassismaterial und dem Rechteck als überlieferter Grundform verabschiedet hat. Die Grundstruktur des Spielers besteht größtenteils aus Luft: Wo nicht zwingend Material benötigt wird, etwa um einen Arm, Motor oder Fuß dranzuschrauben, befindet sich auch kein Material. Rega hat die Zarge des Naia so gründlich skelettiert, dass man unwillkürlich an Manufaktur-Uhrwerke denken muss. Gar nicht weit hergeholt: Phil Freeman, Gandys rechte Hand und operativer Chef der Firma, ist gelernter Uhrmacher. Hin und wieder muss man einfach den Teller abnehmen, um das Chassis darunter zu bewundern. Und um es kurz mal anzuheben: Es wiegt praktisch nichts. Es ist fast nicht mehr da. Aber das, was noch da ist, ist unglaublich steif. Wie beim Achter und beim Zehner besteht der Rahmen des Rega NAIA im Kern aus Tancast 8, einem harten, mit Stickstoff aufgeschäumten Kunststoff, der zum Beispiel auch in der Luftfahrt gerne verwendet wird, weil er gewichtsbezogen eine enorme Festigkeit bietet. Ober- und Unterseite des Schaumkerns sind beim NAIA mit Kohlefaser und besagten Keramikstreben laminiert.

Rega NAIA Chassis
Klingendes Kunstwerk: Die Grundform des Naia-Rahmens entspricht der des P8 und P10 (Foto: Rega)

Der Fertigungsprozess ist umständlich: Die Tancast-Kerne werden zunächst grob von großen Blöcken abgespalten, dann auf die gewünschte Stärke plangefräst, anschließend 24 Stunden lang unter hohem Druck beidseitig mit der Kohlefaserhaut verpresst, wobei ein Spezialkleber für dauerhafte Bindung sorgt. Erst jetzt erhalten die Rohlinge ihre endgültige Form, indem abermals eine CNC-Fräse zum Einsatz kommt. Der grobe Ablauf ist identisch zur Entstehungsweise der P8- und P10-Chassis, im Detail allerdings kniffliger. Wer schon einmal versucht hat, Kohlefaser zu sägen, zu bohren oder zu fräsen, weiß warum: Das Material ist der Erzfeind jedes Werkzeugs. Wobei beim NAIA keine gewöhnlichen Carbonmatten zum Einsatz kommen, sondern mit Graphenoxid-Nanopartikeln imprägnierte Fasern – werkstoffkundlich der allerletzte Schrei, produziert vom walisischen Unternehmen Haydale, und eines garantiert nicht: billig.

Der Tonarm RB Titanium

Der Tancast-Kern ist beim Rega NAIA noch etwas dicker als beim P8/P10, was zusammen mit den hoch zugfesten Graphenoxid-Carbon- und Keramik-Lagen eine enorm verwindungssteife, federleichte Basis für Tellerlager und Tonarm ergibt. Damit nicht ausgerechnet am Rand dieses edlen Werkstücks ein unnötig schwerer Tonarmsockel baumeln muss, hat Rega gleich noch den hauseigenen Spitzenarm RB3000 abgespeckt und zum RB Titanium veredelt. Auch so ein Bauteil, das Roy damals im Werk sichtbar stolz auf den Tisch zauberte: Die Basis dieses neuen Arms, die einerseits den Kontakt zur Zarge mit einer Dreipunkt-Verschraubung herstellt, und andererseits die beiden Kugellager aufnimmt, die den Arm horizontal über die Platte schwenken lassen. Bisher verwendete man dafür eine Kombination aus zwei Werkstücken, ein Alu-Außengehäuse mit darin eingepasstem Stahl-Lagersitz. Beim RB Titanium erledigt ein einziges Werkstück aus – Überraschung! – Titan beide Aufgaben. Wobei von dem teuren Material am Ende nicht mehr viel übrig ist: Eine CNC-Maschine arbeitet nicht nur den oberen und unteren Lagersitz in einem kontinuierlichen Arbeitsgang mikrometergenau heraus – wodurch der fehleranfällige Umspannvorgang entfällt. Die Fräsköpfe nagen auch hier jegliches nicht benötigte Metall akribisch weg und lassen am Schluss nur ein luftiges Titanskelett übrig. So luftig, dass am fertigen Armsockel kleine, transparente Acrylfenster die vornehmen japanischen Lager vor hineinfallendem Staub schützen müssen.

Rega NAIA Tonarmlager
Alles andere als ein Bastelprodukt: Der RB Titanium enthält hoch spezialisierter Fräs- und Gussteile aus Alu, Stahl, Titan und Wolfram (Foto: Rega)

Nach jahrzehntelanger Beschäftigung mit aufwändigen, skurrilen bis obsessiven Tonarmkonstruktionen aus aller Herren Länder konnte ich bei genauerer Inaugenscheinnahme dieses äußerlich so schlichten Rega-Schwenkers nicht anders, als leise diabolisch zu kichern – und froh zu sein, dass mich dabei niemand beobachtete. Die unbeirrt rücksichtslose Zielausrichtung sieht und spürt man im Umgang mit diesem Arm lange, bevor man sie zu hören bekommt. Dazu gehört auch eine Reihe von Rega-typischen, nicht unumstrittenen Designentscheidungen: Keine komfortable Höhenverstellbarkeit, keine Azimutheinstellung. Beides ist schlüssig aus der Forderung nach absoluter Steifigkeit hergeleitet. Zugespitzt formuliert: Wer eigens ein neues Gießverfahren entwickelt, um mechanische Kontinuität von der Headshellspitze bis zum Lagersitz zu erreichen, setzt seine Werte nicht aufs Spiel, nur um unsauber gefertigte Tonabnehmer irgendwie doch noch hinzupfuschen. In sich gerade sollte das System also schon vom Hersteller aus sein – zumal die externe Korrektur eines internen Azimuthfehlers diesen nicht wirklich korrigiert, sondern eher durch Einführung zusätzlicher Fehler kompensiert. Eine Höhenverstellung würde wiederum zusätzliche Masse, geringere Festigkeit und unerwünschte Materialspannungen an der Armbasis bedeuten.

Rega NAIA Antiskating
Konsequent bis ins kleinste Detail: Der Antiskating-Schieber bringt einen Magneten satt und spielfrei gleitend in die gewünschte Position. Zwecks Gewichtsreduktion ist er in voller Länge hohl gebohrt, das breite Griff-Ende zudem fein perforiert (Foto: Rega)

Nicht, dass sich die Südengländer dem Thema kategorisch verweigern. Im Gegenteil: Rega hat alle Aspekte des vertikalen Abtastwinkels untersucht, hat Masteringingenieure befragt, mit Nadelherstellern gesprochen und – als einziger mir bekannter Hersteller – systematische Messreihen zum Einfluss des VTA auf das Verzerrungsverhalten durchgeführt. Das Ergebnis war ernüchternd, ebenso der Hinweis der Masteringleute, dass bereits der Winkel des Schneidstichels zum Lackmaster in der Praxis in einem Bereich von mehreren Grad schwankt. Wenn Roy Gandy in seinem Buch „A Vibration Measuring Machine“ also knackig behauptet, „as far as Rega is concerned, VTA adjustment is a neurosis rather than an technical change“, dann spricht da nicht Bequemlichkeit oder Geiz, sondern die Überzeugung, dass es klanglich schlicht nichts zu holen gibt.

Passende Tonabnehmer

Viel zu holen gibt’s dagegen – und ganz unumstritten – beim Tonabnehmer. Wer den NAIA mit dem hauseigenen MC-Pickup Aphelion 2 kauft, optimiert nicht nur die Synergie zwischen System und Laufwerk, sondern erwirbt einen der feinsten Tonabnehmer der HiFi-Welt. Das ist umso beachtlicher, weil Rega als einziger mir bekannter Platenspielerhersteller seine Systeme tatsächlich von Grund auf selbst entwickelt und baut. Ich habe selten – vielleicht nie – ein tonal unauffälligeres, verzerrungsärmeres System gehört als das Rega Aphelion 2 im Arm des Rega NAIA.

Und erst recht kein unproblematischeres. Ich habe es im Verlauf meiner Tests mehrfach ein-, aus- und umgebaut: Die Justage klappt in fünf Minuten. Und dann spielt es nicht irgendwie OK, sondern segelt in fast göttlicher Ruhe durch die schroffsten, finstersten Vinylschluchten, die mein Plattenschrank bereithält. Nackenschmerzen, zuckende Augenlider und andere Nebenwirkungen exzessiver Geometrie-Exerzitien blieben mir vollständig erspart: Dank Regas Dreipunktbefestigung sitzt das System automatisch korrekt im Headshell. In Fremdarmen lässt man die dritte Schraube einfach weg und arbeitet wie gewohnt mit Schablone, Augenmaß und Lehre. VTA entfällt wie gesagt ebenfalls – die Rega-MCs sitzen in Rega-Armen, wenn man’s nachmisst, praktisch perfekt parallel zur LP-Oberfläche.

Rega NAIA Dreipunktbefestigung
Definierte Position: Alle Rega-MCs – hier das Aphelion 2 – verfügen über drei Befestigungsgewinde. Mit dem empfohlenen Drehmoment angezogen, stellen drei Inbusschrauben eine bombenfeste Verbindung zum Headshell her – und erübrigen nebenbei die Überhangjustage (Foto: Rega)

Andere passen praktisch ebenso gut, etwa das von Goldring gebaute Transrotor Figaro, das eine gute Alternative für Freunde eines etwas extrovertierteren, gleichwohl blitzsauberen Hochtons darstellt. Wer ein abnorm hoch bauendes System montieren will, kann sich der optionalen Distanzscheiben bedienen, die Rega für alle Arme anbietet. Sie sind heute allerdings viel seltener nötig, als das mitunter kolportiert wird, weil Rega den Platz unterm Arm offenbar auf eine absolut marktübliche Bauhöhe ausgelegt hat. Fremdsysteme sind im Naia also problemlos montier- und reuelos genießbar. Umgekehrt profitieren die extraflachen Rega-MMs nun von einer etwas dickeren Matte, die dem Arm zu einer optisch befriedigenden Parallelstellung verhilft.

Der Originalfilz des Rega NAIA ist weiß, hauchdünn und besteht aus reiner Wolle. Technisch-klanglich tut er exakt, was er soll. Man kann daran herummäkeln, mit Kork, Gummi, Pappe, Leder, Plastik oder Silikon experimentieren. Oder es einfach bleiben lassen, weil Generationen von Audiophilen sich damit auch nur im Kreis bewegt haben. Was generell an Filzmatten – auch dieser – nervt, ist ihre Neigung, an der elektrostatisch geladenen Platte zu haften und beim Umdrehen überraschend durch den Hörraum zu segeln. Wer dem nervlich nicht gewachsen ist, kann den Filz mit drei, vier kleinen Klebestickern am Korund-Untergrund befestigen. Oder er/sie gewöhnt sich einen kleinen Schlenker beim Anheben der Platte an, der Platte und Matte voneinander löst.

Viel einzustellen gibt es auch sonst nicht am Naia. Klar, die Auflagekraft appliziert der Arm wie alle feineren Regas mit einer verborgenen Feder, deren Spannung mit einem großen, skalierten Drehrad eingestellt wird. Das ist lobenswert, weil diese dynamische Krafterzeugung die effektive Masse verringert und den Arm agiler macht. Zudem lässt sich der Auflagedruck zielsicher und schnell zum Beispiel um ein oder zwei Zehntel erhöhen oder verringern, und genauso schnell und reproduzierbar kommt man auch wieder zum Ausgangswert zurück. So findet sich innerhalb des vorgegebenen „erlaubten“ Bereichs schnell der klanglich beste Wert. Bei Regas MCs – zumindest dem Aphelion 2 und dem Apheta 3 – sollte ich aber ergänzen, dass sämtliche Exemplare, die in meinem Hörraum ein- und ausgingen, ausnahmslos exakt mit der empfohlenen Auflagekraft optimal klangen: 1,9 Gramm beim Aphelion, 1,95 Gramm beim Apheta 3, jeweils nachgewogen mit der Ortofon DS-3 Digitalwaage.

Ortofon DS-3 Tonarmwaage
Äußerst praktischer Helfer, die alle gern mit Tonabnehmern experimentieren: die Ortofon DS-3 Digitalwaage für 160 Euro (Foto: Ortofon)

Die Rega-MCs performen inzwischen fantastisch, und es gibt keinen vernünftigen Grund, an ihrer Stelle einen Fremdhersteller ins Boot zu holen. Ich schreibe „inzwischen“, weil die MCs aus Southend-on-Sea einem radikal neuen Bauprinzip folgen, das anfangs mit Zuverlässigkeitsproblemen zu kämpfen hatte. Gefühlt war das gestern. Ein klassischer Fall von verzerrter Zeitwahrnehmung, wie sie in der HiFi-Welt so oft vorkommt. Denn tatsächlich kam das Apheta 1 – und damit das erste bei Rega entwickelte und gebaute MC – bereits 2005 auf den Markt. Die Engländer waren in der Zwischenzeit nicht untätig, kauften sündteure Vergrößerungs- und Messsysteme, bauten Spezialwerkzeuge und trainierten Mitarbeiter:Innen, aus praktisch unsichtbar dünnem Lackdraht perfekt symmetrische Spulen auf kreuzförmigen Trägern zu wickeln, die kaum größer sind als das Pluszeichen in den ergänzenden Bestimmungen einer Versicherungspolice.

Rega NAIA mit Apheta 3
Passt nicht nur optisch perfekt: Das Rega Apheta 3 liegt qualitativ nicht weit unter dem „offiziellen“ Naia-Partner Aphelion 2, harmoniert klanglich wie technisch perfekt, kostet aber weniger als die Hälfte (Foto: B. Rietschel)

Mit dem Erfolg, dass man heute ein Aphelion 2 oder Apheta 3 aus dem Schächtelchen holen, es einbauen und sorglos genießen kann, als wäre es ein Feld-, Wald- und Wiesen-MC, nur viel besser. In die Rega-Arme passen sie perfekt. Und zwar nicht aufgrund irgendeiner besonderen, komplementären Klangabstimmung. Tonal sind die Systeme wie schon angedeutet absolut neutral. Technisch-mechanisch jedoch wird man keinen Tonabnehmer finden, der die Rega-Prinzipien konsequenter umsetzt – auch wenn einige Hersteller, darunter Lyra, durchaus ähnliche Ansätze verfolgen. Alles, was ein Rega-MC ausmacht, kann man mühelos am montierten System sehen, weil der Generator nur von einer transparenten Hülle geschützt ist und alle Elemente anschaulich wie im Physikunterricht vor dem Betrachter ausbreitet. Viele sind es nicht. Was die Rega-MCs unter anderem auszeichnet, ist die Reduktion auf ganz wenige Einzelteile, die weniger Materialübergänge, weniger Spiel, weniger ungewollte Bewegung und weniger Verluste bedeutet.

Betrachten wir zum Beispiel den Weg der Kräfte, die der Nadelträger beim Abspielen in das System einleitet. Der führt beim Apheta oder Aphelion durch genau zwei Bauteile: ein winziges, elastisches Lager und den Rahmen des Systems, präzisionsgefräst an den Grenzen der Machbarkeit aus einer besonders harten Aluminiumlegierung. Den klassischen Aufbau mit zentralem Magnetblock, vorderem und hinterem Polschuh, Stahl-Spanndraht und Dämpferkissen hat Rega komplett über Bord geworfen. Für Beweglichkeit, Federkraft und ein gewisses (eher geringes) Maß an Dämpfung sorgt allein das kleine rote Polymer-Element, das den Nadelträger vorne im Alurahmen in einem rautenförmigen Ausschnitt hält. Alle Aufgaben des Lagers konzentrieren sich auf diesen etwa einen Kubikmillimeter großen Würfel. Erst auf der Rückseite dieses Lagers mündet der Nadelträger in einem winzigen Spulenkreuz mit Eisenkern. Diese Anordnung erinnert ein wenig an MM-Systeme – und verleiht dem MC wohl auch deren größere Beweglichkeit bei hoch ausgesteuerten Signalen. In der Tat gehört die Lässigkeit, mit der die großen Rega-MCs (und sinngemäß auch die kleineren Modelle Ania und Ania Pro) extremen Modulationen folgen, zu den Highlights in ihrem umfangreichen Repertoire. Erst dadurch werden die intensiven Mitteltonstrukturen, die wohlgeformten Bässe und die blitzschnelle Hochtonauflösung zu dem hemmungslos genießbaren Gesamtkunstwerk, das sich im Hörtest präsentierte.

Der Antrieb

Jetzt haben wir noch gar nicht über den raffinierten Antrieb des Spielers gesprochen, der über gleich drei Rundriemen erfolgt, die Rega – wie kann es anders sein – mit eigenen Werkzeugen in Großbritannien fertigen lässt. Wie immer dient ein 24-poliger Synchronmotor als Kraftquelle. Wie beim P10 erhält der seine Versorgungsspannungen aus einem separaten Netzteil, das die zwei benötigten, um circa 90 Grad phasenversetzten Sinusse auf digitalem Weg synthetisiert. Phasenlage und Amplitude werden im Werk akribisch auf jeden einzelnen Motor abgeglichen. Erst durch diese Anpassung erhalten die Antriebe ihren praktisch vibrationsfreien Rundlauf.

Rega NAIA Ambient 2
Komplettes Ensemble: Das Netzteil kann in der Praxis auch weiter vom Spieler entfernt stehen, muss aber erreichbar bleiben, weil es die Bedientasten beherbergt (Foto: Rega)

Was bei einem Rega-Spieler besonders wichtig ist, weil es kein Subchassis, nicht mal eine elastische Motoraufhängung gibt, um Teller und Arm vor hausgemachtem Vibrations-Unbill zu schützen. Es verhält sich hier also ganz anders als beispielsweise bei einem Vintage-LP12, der selbst mit fröhlich summendem Uralt-Aggregat, mit Netzstrom ohne jegliche aktive Aufbereitung schon Grabesstille Ausgangssignale liefert: Der NAIA ist auf sein Netzteil und dessen Intelligenz zwingend angewiesen. Ein vertauschtes oder verstelltes Netzteil legt den Spieler zwar nicht lahm, erzeugt aber durchaus wahrnehmbare Störungen in Form der charakteristischen 50- und 100-Hertz-Vibrationen, die man von preiswerten Laufwerken kennt und akzeptiert, bei Top-Drehern aber natürlich nicht haben will. Warum wir das so genau wissen? Weil unser erster Testling, ein weitgereistes Vorserienexemplar, genau diese Symptomatik zeigte. Erstaunlich, dass andere Tester nach und auch vor mir an demselben Exemplar nichts zu beanstanden hatten… Wenn wir mit unserer NAIA-Geschichte nun also etwas später dran sind, dann hat das nichts mit mangelndem Interesse zu tun. Sondern mit der Wartezeit auf ein Austauschexemplar des anfangs nur spärlich verfügbaren Spielers.

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Rega NAIA Antrieb
Nenn sie nicht O-Ringe: Die „Reference EBLT“ Rundriemen entstehen auf Rega-eigenen Gusswerkzeugen bei einem englischen Gummihersteller. Sie sind extrem toleranzarm …
Rega NAIA Antrieb
… und zum Glück auch langlebig – besonders in dreifacher Ausführung wie beim NAIA (Foto: Rega)
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Reine Musik

Das Warten hat sich gelohnt: Besser als mit dem neuen Rega habe ich in meinem Hörraum noch nie Platten gehört. In ordnungsgemäßem Zustand lässt der NAIA die Musik zwar immer noch nicht aus dem Nichts erscheinen. Aber das gilt gleichermaßen für jedes andere Spitzenlaufwerk auch. Egal, ob es – wie der Rega – vier Kilo, 14, 40 oder 400 Kilo wiegt. Dieses geisterhafte Klangvakuum, wie es audiophile CDs gerne präsentieren, bevor irgendein halbtalentierter Drummer den Hörer mit einem Snare-Schlag erschreckt, ist Vinyl als Medium schlicht nicht gegeben. Wir wollen ja auch Musik hören und nicht Geisterbahn fahren. Wollen, dass unser Spieler das grenzenlose Spiel aus Andeuten, Antäuschen, Erwartung und Erfüllung, aus winzigen Nuancen in der Phrasierung und kraftvollen Statements wirklich mitspielt und nicht nur gelangweilt danebensteht. Der Rega kann das meisterhaft. Eine Platte, auf der er keinen Mikrokosmos aus dynamischen Schattierungen entdeckt, kann man amtlich für tot erklären. „Es gibt keine zwei gleichen Noten“, scheint dem Laufwerk tief in sein mechanisches und elektronisches Erbgut einprogrammiert zu sein. Und so klingt nicht nur jeder Song oder Satz, sondern auch jeder Takt innerhalb dieser Einheit neu, interessant und frisch. Dieser Eindruck kommt wenig überraschend, wenn man sich an Spieler wie den nach wie vor fabelhaften P3, den vornehmen P8 oder gar den bisherigen Spitzendreher P10 erinnert, die alle in unterschiedlicher Ausprägung derselben Philosophie folgen: Wehe, du lässt irgendwas, was in der Rille noch da war, nicht bis zum letzten Härchen komplett am Ausgang erscheinen!

Rega NAIA versus P10
Kräftemessen: Rega NAIA und Planar 10 spielten im Test Seite an Seite, für weitere Vergleiche griff gelegentlich der Linn LP12 (rechts) ein (Foto: B. Rietschel)

Interessant am finalen Schritt vom P10 – der im Test mit identischem System danebenstand – zum NAIA: Dies ist kein typischer Rega-Schritt, wie wir ihn bei den vorangehenden Hierarchiestufen beobachten können. Noch klarere Strukturen und noch tightere Rhythmen, als sie der P10 liefert, kann auch der materielle Overkill des NAIA nicht heraufbeschwören. Was dagegen enorm profitiert, sind tonaler Reichtum, Breitbandigkeit und Abbildung: Der NAIA zeichnet nicht in das alte Rega-Skizzenbuch, sondern gestaltet den ganzen Hörraum mit Fresken von praller, dreidimensionaler Schönheit aus. Es fühlt sich so an, als würde sich ein großer Kreis schließen: Der größte Rega ist vielleicht der untypischste Spieler der Marke, weil er keine Abwägung zwischen Genauigkeit und Opulenz mehr nötig hat. Wer einen P3, P6 oder auch einen P1 kennt, weiß: Dynamik, Strukturen, Tempo sind traditionell heilig in Southend-on-Sea. 3D-Effekt, Sinnlichkeit und Süße dagegen sind eher optional, weil auf der Jagd danach oft andere, wichtigere Qualitäten zum Opfer fallen würden. Nicht so beim NAIA, wo sie zu gleichberechtigten Facetten eines perfekt ausgewogenen Klangs werden.

Ganz extrem manifestiert sich diese Vollständigkeit mit dem teuren Aphelion 2, dem offiziellen Partner-MC des NAIA. Dessen Preis verringert sich im Paket mit dem Naia um rund 1000 Euro, es bleibt dann aber immer noch ein dekadent teures System. Aber dafür finden wir hier einen der weltkleinsten Spulenträger – Rega traut sich nicht, das „einen der“ wegzulassen, mir fiele aus aktueller Produktion jetzt aber auch kein kleinerer ein – mit entsprechenden Vorteilen in der bewegten Masse und der Homogenität der magnetischen Feldlinien. Für Energie sorgt ein winziger, aber rekordverdächtig starker Scheibenmagnet aus Neodym, der ohne Polplatten einfach direkt von hinten an das Spulenkreuz heranrückt. Kontakt zur Schallplatte stellt ein relativ großes, klar funkelndes Diamantstäbchen rechteckigen Querschnitts her, dessen Schliff Rega eher wortkarg als „fine line type“ beschreibt. Möglicherweise – wenn ich die Schächtelchen im Werk in Southend-on-Sea richtig in Erinnerung habe – stammt er aus Japan von Ogura.

Rega NAIA mit Aphelion2
Zero Tolerance: Der schwarz eloxierte, einteilige Rahmen für das Aphelion 2 ist eine frästechnische Herausforderung. Kritisch sind vor allem der ca. einen Quadratmillimeter große Ausschnitt für das Nadelträgerlager und das große Gewinde für den Magnetträger. Nach erfolgter Feinjustage und Kontrolle wird der Generator mit einer transparenten, federleichten Verkleidung verschlossen (Foto: Rega)

Was man unter der Lupe dagegen zweifelsfrei erkennt, ist das Material des Nadelträgers: Bor, das beste, weil mit Abstand festeste und leichteste aller heute verfügbaren Trägermaterialien. Bor an sich ist bei Spitzen-MCs nichts Besonderes, wohl aber die verwendete Befestigung des Diamanten. Der wird hier tatsächlich durch das Borstäbchen senkrecht durchgesteckt, was einen viel definierteren Kontakt ergibt als die sonst praktizierte flache Verklebung. Man muss dafür lediglich ein Bor-Stäbchen, das einen Durchmesser von 0,28 Millimetern hat und einen Mohs-Härtegrad irgendwo zwischen Rubin und Diamant, mit einer perfekt ausgerichteten, winzigen Bohrung versehen. Easy. Natürlich können Spezialbetriebe in Japan oder der Schweiz sowas. Es ist nur teuer und wird entsprechend selten bis nie verlangt.

Der weiche, neutral-warme Grundcharakter des Rega NAIA entsteht aber nicht ausschließlich im Tonabnehmer. Um sicherzugehen, habe ich den Spieler auch mit den kleineren Rega-Systemen und einer Auswahl Rega-fremder Abtaster gehört. Da erkennt man dann problemlos die duftig-rasante Offenheit eines Transrotor Figaro wieder und die kernig-mineralische Struktur eines Lyra Delos. Aber alle gehörten Systeme wirken im Naia noch seidiger und verzerrungsärmer als ohnehin schon. Als würde eine große mechanische Last von ihren Schultern fallen, sobald sie im Headshell des RB Titanium arbeiten dürfen. So lässt man sich ganz geruhsam im Passgang durch „Nafas“ von Rabih Abou-Khalil schaukeln (ECM 1359, 1988), einem meditativ reduzierten, hoch atmosphärischen Album, das neben Khalils Oud nur einer syrischen Ney-Flöte (Selim Kusur, der auf einem Stück auch singt), Rahmentrommeln (Glenn Velez) und der arabischen Bechertrommel Derbouka (Setrak Sarkissian) Zutritt zum Hörraum gewährt.

'Nafas“-von-Rabih-Abou-Khalil--(ECM-1359,-1988)
„Nafas“ von Rabih Abou-Khalil, 1988 erschienen bei ECM-1359 (Foto: B. Rietschel)

Und auch diese paar Instrumente versuchen jetzt nicht, das Panorama möglichst dicht zuzustellen, sondern lassen viel Raum für Stille, Leere und Ruhe. In den langen Pausen der hervorragenden Pressung manifestiert sich die perfekte Laufruhe des NAIA. Glenn Velez’ Opener „Awakening“ bringt konzentrierte Percussion-Dynamik, die Audiophile zum Strahlen bringt. Meist verdunkelt sich ihr Blick bei Selim Kusurs Solo „Window“ dann etwas: Viel Plattenspieler scheitern mit dem Versuch, die hoch ausgesteuerten, holzig-hauchig-reinen Ney-Töne wiederzugeben, ohne sie mit Knistern und Klirr zu beschmutzen. Kein Problem für den NAIA: Bitte schön – Flöte! Und hier – Wüstenpanorama! Hier wirkt natürlich auch das Plattencover suggestiv. Aber durch die perfekte Sauberkeit entsteht neben, vor und hinter der Flöte einfach mehr Raum, der das einsame Instrument umso wirksamer in Szene setzt. Khalil selbst greift auf der ersten Seite nur gelegentlich in die Saiten. Das Album ist kein Oud-Virtuosen-Showcase, sondern eine konzentrierte, bedacht aufgebaute kleine Reise. Weshalb es sich heute auch als viel zeitloser erweist als viele „Weltmusik“-Produktionen aus der Ära, die heute aufgelegt oft einen gewissen Cringe-Faktor entwickeln.

Viel Getrommel und Geflöte – nun aber aus Irland – gibt es auch auf. Auch diese Platte eröffnet mit einer einsamen Rahmentrommel – einer irischen Bodhrán. Sie entwickelt sich aber schnell zur turbulenten Folkparty, bei der die sieben Iren oft klingen wie derer 14 – auch weil die Aufnahme von 1977 keine wirklich fotografisch genaue Lokalisierung der einzelnen Instrumente erlaubt. Oder vielleicht doch? Der NAIA leistet hier im direkten Vergleich zum identisch benadelten Planar 10 Wundersames.

The Chieftains "Live" Cover
The Chieftains “Live” erschien 1977 bei Polydor (Foto: B. Rietschel)

Zunächst zeigt die Boston Symphony Hall samt ihrer Bühne viel mehr von ihrer wahren Größe. Das ist ja kein Irish Pub, sondern ein mächtiger Konzertsaal mit legendärem Klang, den wir Wallace Clement Sabine zu verdanken haben. Der wurde schon mit 25 – und ohne Promotion – Physikprofessor in Harvard und gilt als Mitbegründer der modernen Raumakustik. Die Halle wurde im Jahr 1900 nach seinen Berechnungen als neue Spielstätte des Boston Symphony Orchestra erbaut. Die offenbar aus zahlreichen Einzelmikros gemischte Chieftains-Aufnahme ist sicher nicht ideal, um ihre Akustik wirklich perfekt einzufangen. Aber es funktioniert schon sehr gut. Zumal die einzelnen Instrumente auf der weiten Bühne auch deutlich sauberer separiert wirken als über den Planar 10. Das lebendige, spontane Element des Konzerts bleibt mit dem Naia voll erhalten, aber es wird nun klarer, wer was spielt, und jedes einzelne Instrument erhält einen tragenderen, körperhafteren Ton. Das ist kein kleiner Unterschied, wenn man bedenkt, dass der Planar 10 innerhalb seiner Preisklasse bereits zu den Highlights gehört.

Fast überreich mit ungewohnten Instrumenten und Sounds gesegnet ist „Rigging The Toplights“ der Chicagoer Band Pinetop Seven. Ein Platte mit Soundtrack-Qualitäten, mit großen, traurigen Melodien hinter Wäldern aus Percussion, Xylophon, Holzbläsern und allen möglichen gezupften wie gestrichenen Saiteninstrumenten. Die Atmosphäre der Songs hat nichts Urbanes, Modernes, Chicago findet sich in der Musik nicht wieder, eher eine namenlose Geisterstadt in einem besonders einsamen Landstrich im US-Südwesten. Manchmal liest man das Genre Country, aber das ist irreführend: Sänger, Komponist und Mitgründer Darren Richard singt lyrisch und verletzlich, nicht ölig und leutselig, schreibt hoch komplexe Songs, die in ihren fast kammermusikalischen Arrangements an eine Americana-Version der späten Talk Talk erinnern. Das kann man auch mit einfacheren Plattenspielern toll finden, und bei mir läuft die Platte seit dem Release-Jahr 1998 mit schönster Regelmäßigkeit auf den unterschiedlichsten Laufwerken. Was der Rega NAIA hinzufügt, ist eine milde, feine Transparenz, die man der Platte – aufgenommen im bandeigenen Dachgeschoss-Studio – gar nicht zugetraut hätte.

Herausragend und selbst dem meines LP12 überlegen ist der Bass des NAIA: Melodisch, druckvoll, präzise geformt, kommt er ohne die leichte Oberbass-Verliebtheit aus, die der Linn auch mit Lingo-Netzteil und aktuellem Kore-Subchassis noch zeigt. Und die mich auch nicht stört. Im Gegenteil: Mit Rock wirkt der Schotte auch deshalb ein wenig packender, energischer und direkter als der Südengländer. Sicher ein hilfreicher Vergleich, da der Linn in einer mittleren Ausbaustufe auch preislich gut neben den Rega passt. Neutralität, Abbildungsgenauigkeit, Bassdefinition sind dabei die Domänen, in denen sich der Naia besonders hervortut. Wie gesagt: etwas unerwartet, da diese Kategorien traditionell nicht das Erste sind, was einem zu Rega einfällt. Dem Naia gelingt damit eine interessante Synthese: Indem er den Prinzipien seiner Schöpfer noch treuer folgt als jeder Spieler vor ihm, gewinnt er Stärken hinzu, die man bisher eigentlich eher Masselaufwerken oder High-End-Direktantrieben zuschrieb. Ohne dabei jedoch seine klassischen Rega-Talente zu vernachlässigen. So bekommen wie eine enorm stabile, plastische Raumabbildung, opulente Klangfarben, zugleich aber den griffigen, agilen Bass und die leichtfüßige Feindynamik der Spieler aus Southend-on-Sea. Und das Ganze gibt’s wie gewohnt mit einem absoluten Minimum an neurotischem Geschraube, Geziehe und Geschiebe: Mit vorinstalliertem Apheta oder Aphelion (mir würde bereits das Erstere völlig reichen) und vorhandener, gerader Stellfläche ist der beste Rega aller Zeiten eine Viertelstunde nach Ankunft spielbereit. Nicht wundern, wenn’s ganz zu Anfang etwas wärmer als erwartet klingt: beide MCs zeigen im Neuzustand einen Hauch von Behäbigkeit, der nach circa zehn Spielstunden verfliegt.

Fazit Rega NAIA

Ob Regas Konstruktionsansatz der einzig Zielführende ist, darüber kann man lange diskutieren. Unter den echten Weltklassespielern ist der NAIA aber definitiv einer der elegantesten, in sich schlüssigsten. Ach so, … und natürlich auch einer der preiswertesten – und definitiv der am leichtesten Aufzubauende. Regas hauseigene Wandhalterung beantwortet für wenige hundert Euro die Frage nach der idealen Aufstellung, ansonsten kann auch jedes andere stabile Möbel herhalten. Pflicht für die recht leisen Rega-MCs ist eine erstklassige Phono-Vorstufe mit gutem Rauschabstand, etwa Regas eigene Aura. Dann bringt der Spieler ohne großes Justage-Engagement einen erhaben natürlichen, stressfreien, zugleich hochdynamischen Klang.

Rega NAIA mit Haube
Auch der Rega NAIA muss nicht ohne Haube auskommen: eine Kunststoff-Abdeckung, die konsequenterweise nicht am Chassis verankert ist, sondern die man beim Musikhören irgendwo hinlegen muss (Foto: Rega)
Rega NAIA
2024/05
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Sehr verzerrungsarm und abtastsicher
Kombiniert Rega-Feindynamik und -Timing mit opulenter Abbildung und Farbigkeit
Absolut allürenfreie Praxiseigenschaften
Mangels Befestigungsmöglichkeit gibt es statt einer Haube nur eine lose aufliegende Acryl-Abdeckung

Vertrieb:
TAD Audio Vertriebs GmbH
Rosenheimer Straße 33
83229 Aschau
www.tad-audiovertrieb.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Rega NAIA: 12.500 Euro
Rega Aphelion 2: 4.500 Euro
Paketpreis: 16.000 Euro

Die technischen Daten

Rega NAIA
Technisches Konzept:Leichtgewichts-Laufwerk mit Riemenantrieb
Tonarm:RB Titanium
Tonabnehmer (empfohlen):Rega Aphelion 2 (MC)
Ausgangsspannung Aphelion 2:0,35 mV
Auflage-Empfehlung Aphelion 2::1,9 Gramm
Zubehör:Spezial-Netzteil, Abdeckhaube
Besonderheiten:
Ultraleichtgewichts-Chassis, 3-fach Riemenantrieb
Abmessungen B x H x T:42,0 x 11,5 x 35,0 cm (mit aufliegender Abdeckhaube)
Gewicht:4,65 Kilo (NAIA) + 3,0 Kilo (Netzteil)
Alle technischen Daten
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Alle Rega Tonabnehmer im Vergleich

Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.