ende
EC-Team
Mit kleiner Mannschaft, aber starker Unterstützung einer Hightech-Größe in der Nachbarschaft entstehen in Stavanger alle Electrocompaniet-Komponenten (Foto: H. Biermann)

Zwischen Mini-Robotern und Offshore-Anlagen: zu Besuch bei Electrocompaniet

Die Komponenten von Electrocompaniet begleiten uns ja schon ziemlich lange. Erst vor kurzem schrieb LowBeats Autor Stefan Schickedanz eine Geschichte zum 50. Geburtstag. Doch mit der Garagen-Produktion von 1973 hat die norwegische Edelschmiede rein gar nichts mehr zu tun. Wir waren zu Besuch beim modernen Electrocompaniet in Stavanger – und kamen teilweise aus dem Staunen nicht mehr heraus…

LowBeats zu Besuch bei Electrocompaniet

Wobei Firmengründer Per Abrahamsen ja nie „edel“ sein wollte. Auf den Erkenntnissen des legendären Matti Ottala entwickelte er Vor-, End- und Vollverstärker, die preislich nie überzogen, sondern immer reell bepreist sein wollten. Und sie alle hatten diesen speziellen, charaktervollen Electrocompaniet-Sound, um den auch heute noch Firmen-intern hart gerungen wird, der aber eine beneidenswerte Eigenheit hat: Es gibt so gut wie keinen Lautsprecher (ich kenne jedenfalls keinen), der mit einem Electrocompaniet-Amp nicht klingt. Es gibt vielleicht manchmal bessere Kombinationen, aber ein echter „mismatch“ ist mit EC so gut wie ausgeschlossen.

Die Idee vom „reellen“ Preis war vielleicht auch einer der Gründe, warum Per Abrahamsen den Laden fast vor die Wand fuhr. Er war ein musikbegeisterter Visionär, der alle mitreißen konnte, aber eben kein Kaufmann. Seit 2005 gehört Electrocompaniet zu einer Holding, die auch Westcontrol (wir kommen später noch dazu) unter ihrem Dach hat. Der Chef der Holding, Mikal Dreggevik, ein wohlhabender Norweger, empfand Electrocompaniet als zu sympathisch, um die traditionsstarke Marke untergehen zu lassen. Um den Highender wieder wettbewerbsfähig zu machen, verordnete Dreggevik den Umzug vom hauptstädtischen Oslo ins beschauliche Stavanger. Hier wird nun mit direktem Blick auf einen Fjord (namens Byfjord) entwickelt. Hätte schlechter kommen können. Hier einige Impressionen aus dem Ort:

Vorwärts Zurück
Stavanger
Die berühmteste Straße Stavangers ist die „Fargegaten“ (Bunte Straße), in der es Dutzende von Bars und Cafés gibt (Foto: H. Biermann)
Stavanger
Die Häuser sind – obwohl Stavanger mit 150.000 Einwohner gar nicht klein ist – alle niedrig, meist aus Holz. Das wirkt alles total sympathisch (Foto: H. Biermann)
Stavanger
Das Wasser spielt eine wesentliche Rolle in der Geschichte Stavangers, also hat man in der Stadtmitte einen kleinen See angelegt (Foto: H. Biermann)
Stavanger Olmuseum
Das Öl hat sie reich gemacht, dem Öl haben sie in Stavanger auch ein außergewöhnliches Museum gewidmet (Foto: H. Biermann)
Electrocompaniet Entwicklung
Gleich hinter dem Entwicklungs- und Büro-Gebäude von Electrocompaniet beginnt der Byfjord (Foto: H. Biermann)
Vorwärts Zurück

Das EC-Team war auch zu Abrahamsen-Zeiten nie groß – und ist es heute ebenfalls nicht. Es gibt den CEO Bjorn Kindingstad, den technischen Direktor Volker Hunger, den Entwickler Geir Svihus und den Sales-Manager Lasse Danielsen. Die vier sind der harte Kern, der die wesentlichen Entscheidungen fällt.

Electrocompaniet Eingang
Die Männer am Haupteingang von links: Geir Svihus, Matthias Roth vom deutschen Vertrieb MRV, Volker Hunger, Lasse Danielsen, Bjørn Kindingstad (Foto: H. Biermann)

Vorgaben der Holding gibt es nicht, so CEO Kindingstad. Man darf sich also alle Zeit der Welt für Neuentwicklungen nehmen – und macht davon reichlich Gebrauch. Die kürzlich bei LowBeats getestete AW 800 ist ganz sicher in großer Endstufen-Entwurf, aber man hat auch viele Jahre daran gearbeitet. „Man“ sind in diesem Fall der Technische Direktor Volker Hunger und der langjährige Entwicklungsleiter Geir Svihus, die ein exzellentes Team bilden und im ständigen Ringen um technische Perfektion versus Electrocompaniet-gerechte Soundabstimmung bislang ein glückliches Händchen bewiesen.

Aber man weiß auch, dass man sich in den letzten Jahren etwas viel Zeit gelassen hat; eine AW 180 lief über 25 Jahre. „Der Highender schätzt die Beständigkeit“, sagt Volker Hunger selbstkritisch, “ will aber auch das Gefühl haben, dass technologisch etwas mit seiner Lieblingsmarke passiert. Wir werden jetzt zügiger nachlegen…“

Der Berliner Volker Hunger wurde noch von Per Abrahamsen eingestellt und wohnt seitdem in Norwegen (Foto: H. Biermann)

Dennoch lässt Entwicklungsleiter Svihus nicht den Eindruck aufkommen, er ließe sich stressen. Der 2-Meter-Hüne, eindeutig Nachfahre jener Menschen, die mit ziemlich kleinen Booten mal mindestens bis Island ruderten und segelten, ruht absolut in sich. Wenn es ihm zu bunt wird, sagt er verschmitzt lächelnd, geht er auf seinen Hausberg und macht dort „Home-Office“.

Bei so viel Gelassenheit reifen kluge Schaltungen. In den letzten Jahren hat er einen Schaltungs-Trick ersonnen, mit dem er Verzerrungen noch einmal deutlich senken kann. Wie das denn funktioniere, frage ich ihn. Nach einem kurzen, zögerlich-prüfenden Blick, ob ich es überhaupt verstehen würde, greift Svihus kurzerhand zum Stift und kritzelt Elektrobauteile-Symbole auf einen Zettel. Was ich sehe, scheint tatsächlich genial und ich frage mich, ob nicht schon vorher jemand draufgekommen ist – so schlagend einfach ist die Lösung.

Aber verraten darf ich sie nicht. Vielleicht dann, wenn die neue Spitzenvorstufe im Herbst herauskommt. Der Pre-Amp, der wahrscheinlich EC 5 heißen und zum Ende des Jahres eingeführt wird, hat die Schaltung natürlich eingebaut. Überhaupt darf man gespannt sein: Nach 50 Jahren klassischen EC-Designs, so hieß es unter vorgehaltener Hand, könnten mit der EC 5 kleine, aber wirkungsvolle Design-Veränderungen eingeführt werden…

EC Geir Svihus
Svihus ist ein klassischer Entwickler, der mal eben eine komplexe Schaltung auf der Rückseite eines zerknüllten Papiers darstellen kann… (Foto: H. Biermann)

Geir Svihus ist fraglos ein exzellenter und kenntnisreicher Entwickler, aber nicht der einzige Grund für die derzeit so starke Position der Marke. Ebenfalls wichtig ist die Team-Chemie: Man spürt sofort, dass diese Leute gern miteinander arbeiten, diskutieren, vorankommen wollen. Und es ist sicherlich von Vorteil, dass der Holding-Chef Dreggevik ein Unternehmer alten Schlages und stolz auf sein kleines, aber weltweit anerkanntes Electrocompaniet ist, dem er stets den Rücken freihält.

Der Westcontrol-Faktor

Doch das größte Pfund, das Electrocompaniet im Vergleich zu den meisten Mitbewerbern in die Waagschale werfen kann, ist die direkte Nachbarschaft und Holding-Verwandtschaft zu Westcontrol. Westcontrol ist ein Mittelständler, der rund 200 Mitarbeiter hat und dessen Jahresumsatz beständig über 100 Millionen Euro liegt.

Electrocompaniet Produktion 1
Eines der Erfolgsprodukte von Westcontrol ist der Mini-Roboter AV One. Er wurde entwickelt, um kranken und traumatisierten Kindern eine Kommunikationsbrücke zu bauen und wird vor allem an Gemeinden und Krankenhäuser verkauft. Super Idee, aber ganz billig ist er nicht: 6.000 Euro (Foto: H. Biermann)

Für unsere kleine HiFi-Branche ist Westcontrol also ein Riese – mit gewaltigen Möglichkeiten. Hier am Stavanger Byfjord entstehen auf über 2.000 Quadratmetern Produktionsfläche unter anderem Steuerungen für Kühlsysteme, SAT-Anlagen, Lager-Systeme, kleine Roboter genauso wie Techniksteuerungen von – na klar, wir sind in Norwegen – ausgewachsenen Offshore-Anlagen.

Electrocompaniet Produktion 3
Über 2.000 Quadratmeter Platz zum Produzieren: die Westcontrol Produktionsstätten in Stavanger (Foto: H. Biermann)

Mal konkret: Was ich beim Besuch sah, sind Produktionsstraßen von vielen hundert Metern Länge – Spezialgeräte, meist „Made in Germany“, von denen jedes viele hunderttausend Euro (oder mehr) kostet. SMD-Bestückungs-Automaten wechseln sich hier mit Lötbädern und komplexen Teststationen ab. Und vieles durfte ich gar nicht sehen, weil auch das norwegische Militär hier produzieren lässt…

Vorwärts Zurück
Electrocompaniet Produktion 7
Hier werden die einzelnen Bänder mit SMD-Bauteilen bestückt (Foto: H. Biermann)
Electrocompaniet Produktion 8
An dieser Station werden die hochwertigen Platinen bestückt (Foto: H. Biermann)
Electrocompaniet Produktion 6
Das Bild zeigt die Platine, deren Metallstifte auf der Unterseite durch die (helle) Erwärmungsfläche angewärmt werden, bevor sie dann durch das Lötbad gezogen wird (Foto: H. Biermann)
Vorwärts Zurück

Eine so perfektionierte und automatisierte Fertigung ist schon beeindruckend. „Aber sie ist auch immer nur so gut, wie die Überprüfung der automatisierten Herstellung“, sagt Torfinn Fiskå. Er ist der Fertigungsleiter bei Westcontrol und führt uns am Vormittag durch die weitläufigen Hallen. „Deshalb haben wir uns bei Westcontrol ein extrem aufwändiges Prüfverfahren zugelegt.“

Electrocompaniet Produktion 4
Fertigungsleiter Torfinn Fiskå erklärt die Endkontrolle durch Foto-Vergleiche (Foto: H. Biermann)

Das Verfahren beruht im Grunde auf Kameras aus der Satellitentechnik. Die Kameras fotografieren jede erstellte Platine, die Bilder werden auf absurde Größe gezogen und eine KI überprüft, ob es Abweichungen vom Ideal gibt. Erst dann gibt es auch eine elektrische Überprüfung. Und bei Electrocompaniet wird natürlich jede Komponente vorm Verpacken noch einmal gehört.

Volker Hunger: „Es ist halt ein riesiger Vorteil, auf einen Geräte-Fuhrpark zurückgreifen zu können, der in die Abermillionen geht und allerhöchste Präzision garantiert. Und es ist natürlich ein Privileg, mal eben in die Produktion marschieren und die neu entwickelte, perfekte Platine zum Test herausziehen zu können. Die Leute von Westcontrol mögen das nicht wirklich, aber sie gestatten es natürlich…“

Electrocompaniet Assambling
Electrocompaniet Sales-Manager Lasse Danielsen könnte auch im Schlaf den Aufbau einer AW 800 (hier in der Produktion) erklären (Foto: H. Biermann)

Sales-Manager Lasse Danielsen bringt noch die merkantile Sicht mit ein: „Die Möglichkeit, mit Westcontrol zu arbeiten, reduziert für uns den Produktionspreis fast auf die Hälfte.“ Obwohl er natürlich vor allem die Zahlen im Auge hat, ist Lasse der bemerkenswerteste Sales-Manager, den ich jemals getroffen habe. Die meisten Sales-Manager wissen viel über Marktzahlen und Verkäufe, Lasse Danielsen aber weiß über jedes Produkt ALLES. Was drinsteckt, wie, wann und warum es gebaut wurde und wie perfekt der Entwicklungs- und Produktionsprozess bei Westcontrol verläuft.

Doch trotz aller intelligent-gesteuerten Automatisierung ist Electrocompaniet immer noch ein „Handmade-in-Norway-Produkt“. Zusammengesetzt werden die Bauteile alle liebevoll per Hand, jeder Schritt wird anschließend geprüft. Auch das passiert bei Westcontrol, wo aber nur speziell geschultes Personal an den edlen EC-Komponenten arbeiten darf.

Spricht man mit den Westcontrol-Leuten spürt man tatsächlich einen Stolz, dass sie neben all der Gebäude- und Gebrauchstechnik auch so etwas Schöne wie Electrocompaniet produzieren. Im Umsatz des Mittelständlers ist das wahrschein irrelevant, für das Gefühl der Westcontrol-Leute aber ein wichtiger Faktor.

Vorwärts Zurück
Electrocompaniet Assambling
Die Endstufenblöcke der neuen AW 800 kurz vor dem Zusammenbau (Foto: H. Biermann)
Electrocompaniet Assambling
Auf einem anderen Band sind auch die Mittelteile der AW-800 vorbereitet (Foto: H. Biermann)
Electrocompaniet Assambling
Am Ende werden sie von geschultem Personal ganz klassisch per Hand und mit viel Sorgfalt zusammengesetzt (Foto: H. Biermann)
Vorwärts Zurück

Nachdem alles zusammengesetzt und auf „Hertz & Nieren“ geprüft ist, wird die Komponente verpackt und kommt ins Lager – das zufälligerweise gleich nebenan ist und so kürzeste Wege erlaubt. Electrocompaniet nutzt hier die immense Lagertechnologie und -Kapazität von Westcontrol und verschickt von hier in die derzeit 50 Länder weltweit, die einen EC-Vertrieb haben.

Electrocompaniet Lager
Hier sind sehr vielmehr EC-Komponenten im Lager-Ausgang, als ich erwartet hatte. Im Moment scheint es bei den Norwegern recht gut zu laufen. Im Bild von links: Torfinn Fiskå, Matthias Roth, Lasse Danielsen und Fidelity-Chefredakteur Carsten Barnbeck (Foto: H. Biermann)

Electrocompaniet ist auch nach dem Kauf durch die Holding ein durch und durch norwegisches Produkt. Wenn es irgendwie geht, kommen alle Zulieferbauteile, das gilt für die Elektronik, vor allem aber für die Metallkörper, aus der Umgebung von Stavanger. Einzelne Bauteile bezieht man aus Deutschland (beispielsweise WBT-Klemmen, Mundorf-Kondensatoren). Nur die Software ist derzeit noch komplett ausgelagert: Sie kommt aus dem vereinigten Königreich.

Am Ende der Tour sagt Lasse Danielsen: „Ich bin total stolz auf dieses Produkt, auf das ich in der ganzen Welt angesprochen werde.“ Und ich, der Audio-Redakteur, den diese Marke schon mehr als 40 Jahre seines HiFi-Lebens begleitet, kann seine Haltung nach diesem Firmenbesuch wirklich gut verstehen. Hier erschafft ein kleines Team mit ganz viel Herzblut, aber mit der Unterstützung eines veritablen Hightech-Unternehmens einzigartiges, perfektes High End. Elecrocompaniet ist heute ein heller, weißer Zwergstern mit einem riesigen, nicht sichtbaren Mond in der Nachbarschaft. Den sieht man zwar nicht, aber sein positiver Einfluss ist durchaus spürbar…

Mehr von Electrocompaniet:

Test Mono-/Stereo-Endstufe Electrocompaniet AW 800 M
Sag niemals Niet – Electrocompaniet, die „Electro Company“ wird 50 Jahre alt
Test CD-Player Electrocompaniet EMC 1 MK V SE: der Dauerbrenner als Special Edition
Electrocompaniet ECI 6DX: der Streaming Amp

Autor: Holger Biermann

Avatar-Foto
Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.