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Luphoni H1
Genialer Leichtgewicht-Plattenspieler aus deutschen Landen für 2.600 Euro: der Luphonic H1 im LowBeats Test (Foto: Luphonic)

Test Plattenspieler Luphonic H1: der leichte Lu

Andere Plattenspielerhersteller klotzen mit Kilos, aasen mit Alu, Stahl und Edelholz. Thomas Luh aus Hessen verkauft mit seinen Luphonic-Spielern hauptsächlich wohlgeformte Luft. Klar, dass uns der Luphonic H1 neugierig macht, der ein federleichtes Laufwerk mit einem hauseigenen Tonarm kombiniert.

„Ich muss jetzt erstmal schauen, dass ich die ganzen Teile in ausreichenden Stückzahlen parat habe“ – Thomas Luh ist eine gewisse Nervosität anzumerken, wenn er von den abrupt gestiegenen Orderzahlen spricht, die der Wechsel zu einem professionellen, bundesweit arbeitenden Vertrieb nun mal mit sich bringt. Zuvor hatte der Hesse nur eine Handvoll Händler direkt mit seinen Laufwerkskreationen beliefert. Von denen gibt es aktuell gleich vier, eine ist schöner als die andere. Die beiden R-Modelle sind coole, reduzierte Design-Statements, wie sie auch Apple hervorbringen könnte. Lässt man noch etwas mehr Material weg, kommt man zu den H-Modellen, deren Startmodell H1 zugleich die Essenz der Marke darstellt. Alles, was Luphonic physisch wie philosophisch ausmacht, findet sich bereits hier. Nur eben quantitativ etwas sparsamer.

Luphonic H1 beim Autor
Euphorische Reaktionen nicht ausgeschlossen: Der H1 liebt große, komplexe Soundgebilde, die er akkurat und entspannt abtastet (Foto: B. Rietschel)

Das Besondere des Luphonic Hi

Wer den H1-Karton in Empfang nimmt, befürchtet vielleicht zunächst, Herr Luh könnte vergessen haben, das eigentliche Objekt auch mit hineinzupacken. Nach 2.600 Euro plus Tonabnehmer fühlt sich das nicht an. Aber keine Sorge: kaum sind diverse Pappsegmente und Verpackungs-Formteile in die eine oder andere Richtung weggeklappt, lacht uns das namensgebende „H“ auch schon an. In mattschwarzem Kunststoff, der einen dicken Hartschaumkern verkleidet wie eine hauchdünne Haut, und doch entscheidend zu dessen mechanischen Eigenschaften beiträgt. Denn der Schaum ist zwar schon für sich genommen sehr hart, gewinnt aber durch das zugfeste, unter Druck vollflächig verklebte Laminat weiter an Festigkeit. Der größere H2 und die R-Modelle schichten den schwarzen Schaum zwischen Lagen aus hellem, sehr dichtem Kunststein, sodass eine schicke Tortenoptik resultiert. Beim H1 dagegen spricht der Schaum ohne Kontrastmaterial für sich.

Nackt wiegt das Hartschaum-H keine 600 Gramm. Es steht auf vier Kunststoffkegeln mit ballig verrundeter Spitze, die mit M8-Gewinden in passende Einsätze an den Enden der H-Balken sitzen. Damit ist eine einfache Höhenverstellung ebenso gewährleistet wie ein allfälliger Tausch der Originalfüße gegen … ja was eigentlich? Mit männlichen M8-Gewinden gibt es hunderte von Optionen. Von denen ich harte Metallspikes ebenso ausprobiert habe wie die korkbesohlten S3-Füße von Lehmannaudio.

Erstere hat vermutlich auch Thomas Luh schon getestet und – wie ich – verworfen. Letztere gefielen mir zwar ausgezeichnet, sind aber keine Pflicht. Klanglich funktionieren auch die Originale sehr gut, die Luh schließlich nicht zum Spaß mitliefert. Gewöhnungsbedürftig ist an denen hauptsächlich deren penetrante Rutschneigung auf glatten Oberflächen. Gummi-O-Ringe (4mm Innendurchmesser, 1,8mm Schnurdicke) aus dem großen ALDI-Sortimentskasten verschaffen billig Abhilfe, falls das nerven sollte. So bleibt das Zubehörkässle erstmal gefüllt – später werden wir noch einen besseren Grund finden, es zu plündern.

Luphoni H1
Bewährt und langlebig: Die Stahlachse des H1 dreht sich in einer Lagerbuchse aus Messing (Foto: B. Rietschel)

Exakt in der Mitte des H-Querbalkens sitzt das Tellerlager. Das verleiht dem fertig aufgebauten Spieler eine angenehme Symmetrie, erhöht aber nicht dessen Steifigkeit um die Mittelachse. Zumal auch der Motor einen eigenen Ausschnitt links des Lagers benötigt. Wo es nicht oder nur geringfügig unterbrochen ist, also an den beiden Hauptbalken, ist das Schaumsandwich bretthart. Der Querbalken dagegen erlaubt einen gewissen elastischen Flex, den man spürt, wenn man den Spieler an einem Eck anzuheben versucht. Dann hebt an diesem Eck der Spike etwas früher ab als am Gegenüberliegenden. Am besten klingt der H1 erwartungsgemäß, wenn die Torsionsspannung im Mittelbalken möglichst gering ist. Das kann man leicht ausprobieren, während Musik spielt, indem man einen der vorderen Spikes leicht verdreht.

Der Synchronmotor ist ein Klassiker, wie er sehr ähnlich auch bei Rega, Linn und vielen anderen zum Einsatz kommt. Luphonic nutzt ihn in der 12V-Ausführung mit einem raffinierten externen Netzteil, das die beiden benötigten Wechselspannungen digital mit einem DSP erzeugt. Dabei gleicht Luh Wellenform und Phasenlage akribisch auf jeden individuellen Motor ab, bis dieser absolut vibrationsfrei läuft. Das ist ein probater Weg, den auch andere Hersteller gehen. Mein Test-Luphonic läuft aber selbst gemessen an preisähnlichen Vergleichsspielern auffällig ruhig. Das macht sich sowohl direkt am Spieler bemerkbar, wo selbst nach ein paar hundert Betriebsstunden nicht der kleinste Mucks zu hören war, als auch beim Musikhören, wo die virtuelle Bühne sich tatsächlich vor einem pechschwarzen, samtigen Vorhang aufbaut. Da wirkt selbst der (auch von mir) für seine Laufkultur hoch gelobte, direkt getriebene Technics SL-1210GR im Vergleich etwas fahrig, und ein Rega P8 kann es zumindest nicht besser.

Luphonic H1 Netzteil
Drehzahl auf Tastentipp: Die mitgelieferte Motorsteuerung „Wavemaker“ generiert passende Antriebs-Sinusse per DSP. Paralleles Drücken beider Tasten öffnet einen Pitch-Modus, in dem das Tempo in feinen Schritten angepasst werden kann. Nötig war das beim Testgerät freilich nicht (Foto: B. Rietschel)

Per geschliffenem Flachriemen landet die Motorkraft dann am Innenteller, einem hochgenauen, blitzenden Alu-Drehteil mit eingesteckter Stahlachse. Ursprünglich lieferte Luphonic Achse und Innenteller getrennt, die dann vom Kunden zusammengesteckt werden mussten. Meinem Testling und aktuell produzierten Exemplaren liegt der Innenteller aber bereits komplett bei.

Luphoni H1
Der Innenteller wird bei aktuellen Exemplaren komplett mit der Achse zusammengesteckt ausgeliefert (Foto: B. Rietschel)

Die Achse rotiert in einer Messing-Lagerbuchse und ist mit einem dünnen Öl geschmiert. Im Lagerboden befindet sich eine Keramikkugel, die die unten plane Achse trägt. Ein ganz konventioneller Aufbau, aber sehr fein umgesetzt. Das spürt man schon beim Absenken der Tellerachse in das Lager, was wegen der engen Toleranz nur ganz gemächlich vor sich geht. Man spürt es auch, wenn man den Innenteller manuell dreht. Und letztlich hört man es natürlich – in Form einer Stabilität und Ruhe, die dem Klang etwas Definitives, Verbindliches geben.

Luphonic H1 Antrieb
Eng toleriert: Um unnötige Exzentrizitäten zu vermeiden, lässt Thomas Luh den Mitteldorn exakt nach DIN-Vorgabe drehen. Normgerechte Platten passen satt, Unsaubere Mittellöcher neigen dagegen zum Festklemmen. Dann hilft vorsichtiges Entgraten (Foto: Luphonic)

Ein sehr schönes Material hat Luphonic für den Teller ausgesucht. Der Tastsinn schwankt irgendwo zwischen Marmor und Kunststoff, wenn der weiße, seidig schimmernde Rundling in der Hand liegt: kühler und schwerer als letzteres Material, glatter und weicher als das erstere. Tatsächlich liegt die Wahrheit auch in der Mitte: Es ist ein Kunststein, der sich aus Aluminiumhydroxid und Acryl zusammensetzt, und der wegen seiner Widerstandskraft und guten Bearbeitbarkeit auch im Küchen-, Bad- und Laborbereich gerne als Oberfläche eingesetzt wird. Auf dem H1 wiegt er etwas über 1.800 Gramm, und der gesamte Spieler bringt kaum das Doppelte auf die Waage.

Luphoni H1
Fein, schwer und glatt: Der Polymer-Mineral-Werkstoff des Tellers wird in anderen Bereichen unter anderem als Corian vermarktet. Subteller und Motorpulley bestehen klassisch aus Aluminium (Foto: B. Rietschel)

Der Arm trägt zum Gewicht nicht allzu viel bei, wohl aber zur Performance des H1. Erfreulich schon einmal, dass Luphonic hier nicht den bequemeren Weg gegangen ist, einfach einen Arm zuzukaufen. Sondern eine hauseigene, wohldurchdachte Führungskraft zu konstruieren, die unter dem Namen K2 sämtliche aktuellen Luphonic-Modelle ziert. Dem H1-Käufer muss das schmeicheln, bekommt er doch den gleichen Schwenker, der offenbar auch gut genug für die größeren Modelle ist. Solo lässt sich der K2 ebenfalls erwerben, in neuneinhalb oder zwölf Zoll Länge für sehr bodenständige 1.149 respektive 1.349 Euro. Zu diesem Preis gibt es nicht viel Auswahl am Markt, und der K2 sieht in dieser überschaubaren peer group ausgesprochen attraktiv aus. Vor allem aber fühlt er sich attraktiv an: Seine Minikugellager stammen aus Deutschland und lassen den Arm mustergültig spielfrei übers Vinyl wandern. Mit diesem weichen, aber verbindlichen Drehgefühl, das tastenden Testerfingern schon ohne große Messungen und Hörtests sagt: Der kann was.

Luphoni H1
So weit, so klassisch: Der Luphonic-Tonarm kombiniert gewobene Kohlefaser, Alu, POM, Stahl – und feinste Kugellager deutscher Provenienz (Foto: B. Rietschel)

Was man mit etwas Erfahrung auch sofort bemerkt, ist die niedrige effektive Masse des Auslegers, die den K2 in die Kategorie „leicht bis mittelschwer“ verweist. Es ist eher nicht die Art Arm, die harte MC-Nägel mit eisernem Griff übers Vinyl reitet wie ein Rodeo-Champ. Fehlende Masse lässt sich zwar mühelos später noch hinzufügen, während der umgekehrte Fall nicht so leicht zu lösen wäre. Aber auch die verwendeten Materialien lassen tonabnehmerseitig eher an etwas höhere Nadelnachgiebigkeiten denken. Das Armrohr besteht aus Kohlefaser und trägt vorne eine angeklemmte Kunststoff-Headshell, die erkennbar in einem 3D-Drucker entsteht. Kein Bauteil, mit dem man nebenbei auch mal eine Tür aufstemmen könnte. Dafür aber recht komfortabel im Azimuth verstellbar.

Ein Punkt übrigens, den Thomas Luh ähnlich ambivalent sieht wie ich: Eigentlich sollte die beste Lösung hier ein starrer Übergang sein. Dann würde der Arm bei der Herstellung auf genau null Grad kalibriert und gut ist. Man verlöre die Möglichkeit, schiefe oder halb defekte Nadeln irgendwie noch hinzumurksen, bekäme aber eine definierte, garantiert spielfreie Befestigung. Weil die Verstellbarkeit aber eben doch nachgefragt wird, und weil Luh nicht einfach wie Rega oder Linn „ist halt so“ sagen will, hat er sich für einen guten Kompromiss entschieden: Er bearbeitet das Ende des Kohlefaserrohrs und den Klemmsitz der 3D-gedruckten Headshell so lange von Hand nach, bis die beiden Teile schon ohne angezogene Klemmschraube praktisch eins werden.

Ausgehend von einem exakt horizontalen Lieferzustand und sauber gefertigen Tonabnehmern ist eine Azimuthkorrektur beim K2 aber eigentlich nur dann nötig, wenn man mit hinten merklich angehobenem oder abgesenktem Arm hören will/muss. Sprich: Wenn der Tonabnehmer einen vom Standard abweichenden VTA benötigt. Der Zusammenhang ergibt sich aus der Stellung der horizontalen Lagerachse, die das Armrohr beim K2 exakt im rechten Winkel kreuzt. Die Headshell knickt dagegen um die üblichen ca. 20 Grad Kröpfung nach innen. Weshalb der Azimuth geringfügig nach links oder rechts aus der Horizontalen kippt, sobald ich den Arm hinten anhebe oder absenke.

An seinem hinteren Ende geht das Carbonrohr ins Alu-Lagergehäuse und dieses in einen POM-Endstummel über, der ein exzentrisches Gegengewicht aus Stahl trägt. Verstellt wird es einfach durch Verschieben, was die Anschaffung einer Tonarmwaage nötig macht. Hier bitte ein Modell kaufen, das exakt auf Höhe der Plattenoberfläche misst. Denn die Auflagekraft variiert wegen des tiefer liegenden Schwerpunkts etwas mit der vertikalen Auslenkung. Ich verwende dafür wie immer die Ortofon DS-3. Ebenfalls ohne Skala arbeitet das Antiskating: Die klassische Faden-und-Gewicht-Lösung mit stufenlos und präzise verschiebbarem Angriffspunkt. Damit kommt man ebenso intuitiv zurecht wie mit der wenig überraschenden und selbsterklärenden Klemmschraube zur Verstellung der Armhöhe.

Luphonic H1 mit AT Abtaster
Nur her mit den Details: Vor allem mit Unterstützung des Funk Houdini verträgt sich der Luphonic H1 hervorragend mit hochauflösenden Tonabnehmern. Hier baumelt ein Audio-Technica VM-750SH an der elastischen Entkopplung mit dem Vogel-Strauß-Logo (Foto: B. Rietschel)

Ein ziemlich normaler, aber gut gemachter Tonarm also. Dem ich im Hörtest eine kleine Auswahl an Tonabnehmern unterjubelte, die bevorzugt aus dem gehobenen MM-Bereich stammten. Zum Beispiel das Audio-Technica VM-750SH, ein Shibata-benadeltes, gnadenlos fein auflösendes Magnetsystem in Audio-Technicas „großem“ Metallbody. Was hier auf Anhieb auffiel, war die Mischung aus Ruhe, weitem Abbildungsformat, genauer Platzierung und kontrolliertem Detailreichtum, die nur entsteht, wenn das AT wirklich gute Bedingungen vorfindet. Das ist kein System für Freunde eines dunkel gefärbten Klangs. Sondern – im Luphonic – ein hyperrealer Ultra-HD-Tonprojektor, der soviel Autorität besitzt, dass der Rest der Anlage fast sekundär wird.

Hörtest

Mit dem Luphonic als Frontend kann man zum Joanna-Newsom-Fan werden, wenn man das nicht sowieso schon war. „Ys“ war nicht das erste Album der Harfenistin und Singer-Sonwriterin, aber das erste mit ganz großer Beachtung. Auf dem US-Label Drag City erschienen, versammelte diese Produktion so ziemlich alles, was gut und richtig ist in der Indie-Welt, um die damals 24-jährige Musikerin. Harfe und Gesang nahm kein Geringerer als der geniale Steve Albini auf, Jim O’Rourke mixte, Lee Sklar kam zum Bassspielen vorbei und von Bill Callahan vernimmt man ab und zu Backing Vocals. Komplex wiedergegeben wird die Platte aber vor allem wegen Van Dyke Parks. Der legendäre Beach-Boys-Kollaborateur ließ es sich nicht nehmen, die Songs in luxuriös verschnörkelte Orchester-Arrangements zu betten. Die aber stets vornehm im Hintergrund bleiben: Newsoms eigenwillige Stimme und ihr virtuoses Harfenspiel stehen ganz klar im Spotlight, Bläser und Streicher unterstreichen und kommentieren lediglich. Auf weniger talentierten Spielern verlieren sie sich auch gern in einem schummrigen Hintergrund.

Der Luphonic dagegen zieht einen großen Raum auf, in dem jeder Musiker Beachtung findet. Unabhängig vom Tonabnehmer ist eine der großen Stärken des deutschen Spielers seine mühelose, weite Raumdarstellung. Die mit einer großen Spielfreude und Dynamik einhergeht: Musiker und Instrumente springen weit aus der Boxenebene heraus, stehen sicher und stabil im Stereopanorama. Wenn der Tonabnehmer dazu fähig ist, bekommen die einzelnen Elemente des Klangs fabelhaft glatte, glänzende Konturen, eine Frische, die nichts mit lästiger Helligkeit zu tun hat, sondern eine besonders verlustarme, hochauflösende Abtastung der Rillen verrät.

Joanna-Newsom Ys Cover
Die Singersong-Writerin Joanna Caroline Newsom unterstreicht ihre Stücke mit feinsinnigem Harfespiel (Cover: amazon)

„Monkey & Bear“ klingt generell dunkel und überhaupt nicht so präsentiertellermäßig, wie sich Audiophile eine Stimme vielleicht wünschen. Vielleicht hat Albini – den man nicht mehr dazu befragen kann, weil er am 7. Mai 2024 einem Herzinfarkt erlag – sogar ganz bewusst am Mädchenhaft-Verspielten vorbei auf die Energie und Dynamik der Sängerin fokussiert. Jedenfalls bekommt man am Ende der zehnminütigen Fabel, wenn die Bärin ihren äffischen Ausbeuter sitzenlässt und sich im Meer ihres Kostüms und eventuell auch ihres Fells und ihres gesamten Bärentums entledigt, Ehrfurcht vor dieser Stimme. Die als niedliches akustisches petit four eröffnet („Down in the green hay / Where monkey and bear usually lay“), dem Hörer schließlich aber fast an die Gurgel springt.

Es gibt direktere, noch zupackendere Spieler. Aber in überschaubarem Preisrahmen wenige, die in turbulenten Crescendi mehr Contenance und Übersicht bewahren. Diese Stärke lässt sich maximieren. So wirkungsvoll, dass der eigentlich recht preiswerte Tonarm in Sauberkeit, Ruhe und Neutralität mit vielfach teureren Modellen mithält. Der Weg führt über ein kleines Zubehörteil, das leider nicht billig und auch nicht leicht zu bekommen ist: Den Houdini von The Funk Firm.

Mit dem Gadget habe ich lange gehadert, weil es einem Dogma widerspricht, das auch ich immer wieder gerne verbreite. Ach was: Es kickt das Dogma aus dem Fenster. Der Houdini sieht aus wie ein normaler Headshell-Spacer, trennt aber jede mechanische Verbindung zwischen Arm und Tonabnehmer zugunsten einer weichen, definiert elastischen Anordnung von Silikonlagern. Erfunden hat ihn Arthur Khoubesserian, Pink-Triangle-Gründer, Funk-Gründer, Physiker und ebenso unberechenbarer wie streitbarer Analog-Großmeister, der mir schon vor Jahren einen Satz dieser Gadgets schickte. Man verschraubt den Houdini zunächst mit dem Tonabnehmer. Und fixiert das resultierende Gespann dann mit einem weiteren Satz Schrauben am Headshell, exakt da, wo das System vorher auch schon saß. Nach erfolgter Dicken- und Gewichtskorrektur – Houdini trägt genau 6mm auf und wiegt unter zwei Gramm – hat man die analoge Antithese zur Lehre vom maximal steifen Tonarm: Einen Arm, der das System zwar geometrisch präzise hält, jedoch keine feste mechanische Verbindung zu ihm aufbaut. Und folglich auch jegliches Resonanz-Eigenleben sehr wirksam von der Nadel fernhält.

Funk
Nur Gutes im Schilde: Der Funk Houdini sorgt für weiche Entkopplung des Tonabnehmers, bringt Linn-Fans auf die Palme und hat sich auch zum Beispiel auch in Technics-Armen bestens bewährt (Foto: B. Rietschel)

Die Montage ist nicht schwierig, aber ungewohnt: Die mitgelieferten Nylonschrauben müssen (z.B. mit dem Teppichmesser) millimetergenau gekürzt werden, damit sie sich nicht in der Mitte treffen. Unterschiedliche Tonabnehmer brauchen daher fast immer individuelle Schraubensätze. Zum Glück sind die benötigten Schräubchen Standardteile, die man spottbillig bei Conrad & Co kaufen kann. Für Systeme mit integrierten Gewinden gibt es eine eigene Houdini-Version. Das klangliche Resultat ist halb wie erwartet, halb unerwartet und in seinem Ausmaß schlicht verblüffend: So oder so ähnlich muss „gar kein Tonarm“ klingen. Ein und derselbe Tonabnehmer klingt damit deutlicher, ausdrucksstärker, zugleich aber auch weicher und neutraler. Nicht in alle Tonarme und / oder Headshells passt der Houdini so problemlos wie in den Luphonic-Arm: Eine Höhenverstellung mit ausreichend Reserve ist hilfreich, ebenso ein nicht zu enges Headshell. Empfehlenswert sind auch möglichst flexible Anschlusslitzen: Zu steife Drähte stören die aufwändige Entkopplung des Systems und können es zudem aus seiner exakt horizontalen Ruhelage drücken.

All diese Bedingungen erfüllt der Luphonic. Und bringt noch eine weitere Eigenschaft mit, die die entfesselnde Wirkung des Houdini besonders deutlich werden lässt: Seine Headshell ist die steifste oder akustisch lebloseste. Das kann man angesichts des günstigen Solopreises für den Arm auch fairerweise nicht erwarten. Luphonic fertigt den Tonarmkopf aus glaskugelgefülltem Kunststoff, der sehr zäh, aber auch recht elastisch ist. Das kann je nach System, dessen Gewicht und Gehäusematerial, schon eine gewisse Färbung im Klang hinterlassen. Diese Färbung verschwindet durch den Houdini vollständig, während die exzellenten Lager ihre Stärken sogar noch deutlicher zeigen können: Das zuvor schon gute Raumgefühl wird luftig und weich wie ein Pizzateig, die Platzierung der Spuren und Instrumente darin akkurater und dreidimensionaler. Und selbst heikle, extragenaue Abtaster wie das oben erwähnte Audio-Technica spielen geschmeidig und ohne einen Anflug von Stress. Es gibt in der HiFi-Welt deutlich unsinnigere Wege, 360 Britische Pfund auszugeben. In dieser konkreten Situation würde ich sogar sagen: es gibt kaum lohnendere.

Natürlich bekommt man den H1 auch – bzw. bevorzugt – fix und fertig mit Tonabnehmer. Der deutsche Luphonic-Vertrieb IDC ist in der glücklichen Situation, die Produkte der englischen Tonabnehmermanufaktur Goldring zu importieren. Deren klassische 1000er-Serie passt – vom preiswerten 1006 bis zum erhabenen, immer noch nicht besonders teuren 1042 – ganz wunderbar zum Luphonic-Arm. Selbst das Gehäusematerial zeigt deutliche Parallelen zum Luphonic-Headshell: Pocan, der seit Jahrzehnten von Goldring favorisierte Werkstoff, enthält in der hier verwendeten Rezeptur ebenfalls versteifende Mikroglaskugeln. Einmal mit einem 1006 gerüstet, öffnet der H1 einen weiteren Upgrade-Pfad. Denn das Systemgehäuse ist bis hinauf zum 1042 gleich. Einmal runtergespielt, lässt sich die 06er Nadel also auch durch eine 12er-, 22er- oder 42er-Nadel ersetzen, die Gyger-II-, Vital- und Gyger-S-Schliffprofile ins Spiel bringen und preislich gar nicht so weit auseinander liegen.

Der Luphonic gehört zu den Spielern, die den Griff zu den hochauflösenden Nadelvarianten auch gerechtfertigt erscheinen lassen: Ihre Stärken kommen sehr klar zum Vorschein, ihre Tonalität bleibt gut unter Kontrolle, die Justage erweist sich als bequem und reproduzierbar. Nach ein paar Monaten mit dem hessischen Spieler fällt es mit jedenfalls gar nicht leicht, ihn nun wieder einzupacken, zumal er sich als hundertprozentig verlässlich und zickenfrei erwiesen hat. Aber andere Tester sollen ihn ja auch mal bekommen. Einfach einen weiteren H1 aus dem Lager zu holen, ist aktuell keine Option. Denn die Bestände schmelzen eh schon schneller, als Herr Luh sie nachfüllen kann.

Fazit Luphonic H1:

In Deutschland erdacht und gefertigt, sorgt der H1 nicht nur mit seinem spacigen Design für Aufsehen. Auch klanglich erweist er sich als ausgereift und in seiner Preisklasse absolut konkurrenzfähig. Das ist beachtlich, sprechen wir hier doch von zehnmal so alten und hundertmal größeren Mitbewerbern. Mit den nahe liegenden MM-Systemen von Goldring ergibt der H1 eine schöne Synergie. Ein verblüffender zusätzlicher Performance-Boost erwartet all jene, die sich mit dem Headshell-Entkoppler Houdini einlassen.

Luphonic H1
2024/07
Test-Ergebnis: 4,4
SEHR GUT
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Hervorragende Laufruhe, beide Drehzahlen elektronisch fein anpassbar
Fein verarbeiteter, präzise gelagerter Tonarm
Cleanes, unverwechselbares Design
Keine Haube vorgesehen, Kunststoff-Kegelfüße mit ausgeprägter Rutschneigung

Vertrieb:
IDC Klaassen oHG
Am Brambusch 22
44536 Lünen
www.idc-klaassen.com

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Luphonic H1:  2.600 Euro

Technische Daten

Luphonic H1
Konzept:Plattenspieler mit Riemenantrieb
Antrieb:Mikroprozessorgesteuerter Synchronmotor, Flachriemen über Subteller
Drehzahlen:
33 1/3 und 45 U/min, elektronisch wählbar
Tonarm:
Luphonic K2 für leichte und mittelschwere Tonabnehmer
Chassis-MaterialLaminierter Hartschaum
Farben:mattschwarz mit weißem oder schwarzem Plattenteller
Abmessungen (B x H x T):44,0 x 14,0 x 37,0 cm
Gewicht:3,5 Kilo
Alle technischen Daten

 

Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.